Lange Zeit wurden sie als geheimnisvolle Substanzen angesehen, die sowohl in Heilkräutern aber auch in sämtlichen Obst- und Gemüsesorten vorkommen. Ihnen wurden positive Einflüsse auf unsere Gesundheit zugeschrieben, die uns vor verschiedenen Krankheiten schützen – heute nennt man sie sekundäre Pflanzenstoffe.
Von Natur aus produzieren Pflanzen Schutz- und Heilstoffe. Nicht weil sie uns Menschen einen Gefallen tun wollen, sondern um sich selbst vor gefährlichen UV-Strahlen, Schädlingen, Krankheiten und anderen „Angriffen“ zu schützen. Schließlich sind Pflanzen ortsgebunden und können nicht einfach weglaufen, wenn Gefahr droht.
Wir Menschen können von diesen Stoffen ebenfalls profitieren, indem wir die Pflanzen essen.
Heute möchte ich einen kurzen Überblick über diese faszinierende Stoffgruppe geben. Was sind sekundäre Pflanzenstoffe? Warum „sekundär“? Wie können sie uns Menschen helfen?
Definition: Sekundäre Pflanzenstoffe
Sekundäre Pflanzenstoffe sind Bestandteil unserer täglichen Ernährung. Sie sind, wie der Name schon sagt, ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln anzutreffen, sprich: Gemüse, Obst, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkornprodukten, Kräutern, aber auch Wein, Kaffee, Tee, Gewürzen, etc. Das „sekundär“ bezieht sich nicht darauf, dass die Pflanzenstoffe zweitrangig wären, sondern es zeigt in welchem Stoffwechsel diese produziert werden. Pflanzen, ebenso wie Tiere und Menschen, haben einen primären und einen sekundären Stoffwechsel.
Was ist der primäre Stoffwechsel, was der sekundäre Stoffwechsel?
Unter Primärstoffwechsel werden alle Stoffwechselwege zusammengefasst, die für das Wachstum, die Entwicklung und die Reproduktion eines Organismus benötigt werden. Viele dieser Prozesse laufen in Tieren, Pflanzen und Bakterien ähnlich ab und werden unter evolutionären Einflüssen wenig verändert.
Die primären Stoffwechselprodukte, wozu Kohlenhydrate, Proteine (Aminosäuren) und Fette gehören, sind essentiell. Ohne diese Stoffe könnte die Zelle bzw. der Organismus nicht wachsen und somit nicht leben.
Der Sekundärstoffwechsel eines Organismus ist je nach Art und spezifischer Zelle sehr unterschiedlich. Er umfasst Stoffe und Prozesse, die für die Wechselbeziehung des Individuums mit seiner Umwelt zuständig sind. Der Sekundärtstoffwechsel ist entbehrlich für die Entwicklung und das Wachstum des Individuums, aber unentbehrlich für die Existenz und den Fortbestand der Art in ihrer Umwelt.
Stoffwechselwege darf man sich nicht als zweidimensionale Straßen vorstellen, die von A nach B zu Produkt P führen. Sie sind eher als Netzwerk zu sehen. Jedes Zwischenprodukt kann vielfältig genutzt werden. Die Abgrenzung zwischen primärem und sekundärem Stoffwechsel ist daher nicht immer ganz einfach – häufig überschneiden sich beide.
Welche Aufgaben haben sekundäre Pflanzenstoffe in der Pflanze?
Sekundäre Pflanzenstoffe werden im Sekundärstoffwechsel gebildet und kommen in relativ niedrigen Konzentrationen vor. In der Pflanze erfüllen sie Aufgaben wie Abwehr-, Duft-, Geschmacks- und Farbstoffe. Auch Wachstumsregulatoren gehören dazu.
Dienen nicht der Energiegewinnung
Diese Stoffe sind nicht unbedingt für das Wachstum, aber sehr wohl für den Fortbestand der Pflanze wichtig. Manche Moleküle unterstützen die Pflanze dabei, dass der primäre Stoffwechsel ungehindert laufen kann. Sie sorgen dafür, dass die Zündung funktioniert. Ein Motor, der nicht gezündet werden kann, dem nützt auch kein Benzin.
Die sekundären Pflanzenstoffe sind somit keines falls als zweitrangig anzusehen, aber sie haben ganz andere Aufgaben als die primären Pflanzenstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette.
Warum sind sekundäre Pflanzenstoffe wichtig für den Menschen?
Pflanzen als Heilmittel einzusetzen ist nichts Neues – das wird schon seit Jahrhunderten gemacht. Allerdings wusste man früher nicht warum die Pflanzen wirksam waren. Erst jetzt verstehen wir ganz langsam, dass es die sekundären Pflanzenstoffe sind, die so wichtig und heilsam bzw. vorbeugend bei verschiedenen Krankheiten sind – neben Vitaminen und Mineralstoffen natürlich. Wir stehen jedoch noch gaanz am Anfang.
Es existieren unendlich viele sekundäre Pflanzenstoffe, allerdings haben wir bisher nur einen Bruchteil davon analysiert. Sie werden in verschiedene Untergruppen eingeteilt, wie Polyphenole (dazu gehören auch Flavonoide, Phenolsäuren, etc.), Carotinoide, Phytosterine, Saponine, Glukosinolate, Phytinsäure, Terpene, Sulfide und ja, auch die Ballaststoffe gehören dazu.1
Je nach Stoffgruppe haben sekundäre Pflanzenstoffe vor allem antioxidative, antivirale (virenabweisende), antibakterielle (bakterienabweisende) oder antimykotische (pilzabweisende) Wirkungen.
In Studien wurde gezeigt, dass sie gegen chronische Krankheiten wie Herzkreislaufkrankheiten, Diabetes Typ 2, Asthma, Krebs, Bluthochdruck, Entzündungen und vielem mehr helfen können. Manche senken auf natürliche Weise Cholesterin und die Fettoxidation.2;3;4
Sekundäre Pflanzenstoffe wirken auf vielen verschiedenen Ebenen in unserem Körper und jede Pflanze bringt wieder ihr eigenes „Bündel“ an dieser Stoffgruppe mit sich. Deshalb kommt eine bunte Mischung an vielen verschiedenen Obst- und Gemüsesorten der Gesundheit nur zugute. In Kohlsorten haben wir beispielsweise die Senföle (Blumenkohl, Kohlrabi, Brokkoli, Grünkohl), Karotten, Nektarinen/Pfirsiche, Sanddorn und Kürbisse sind bekannt für ihre Carotinoide und andere Pflanzen sind wiederum bekannt für ihre Antioxidantien (beispielsweise Granatäpfel, Tee, Hirse) um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Sekundäre Pflanzenstoffe als Nahrungsergänzungsmittel?
Wie bei Vitaminen und Mineralstoffen auch (mehr dazu hier), sollten sekundäre Pflanzenstoffe nicht als Nahrungsergänzungmittel eingenommen werden – oder wenn, dann nur in Absprache mit einem Arzt. Studien haben gezeigt, das „echte“ Nahrungsmittel zu empfehlen sind, da der Körper diese besser aufnehmen kann und die einzelnen Stoffe so auch nicht überdosiert werden.
Je nach sekundärem Pflanzenstoff kann die Bioverfügbarkeit durch Erhitzen oder einer anderen Garmethode erhöht oder verringert werden. Deshalb ist es sinnvoll Obst und Gemüse sowohl in roher als auch in erhitzter Form zu verzehren5.
Fazit
Was früher als unbekannt und geheimnisvoll erschien, versucht man nun langsam auf molekularer Ebene zu erklären. Sekundäre Pflanzenstoffe sind ein sehr großes und komplexes Thema, welches die Wissenschaft gerade beginnt zu durchforsten. Dieses Gebiet scheint jedoch sehr vielversprechend zu sein, weshalb es immer mehr in das Interesse der Wissenschaft rückt.
In vielen Fällen konnte beobachtet werden, dass diese Stoffe die Verdauung stärken, die Entgiftung von Leber und Nieren stimulieren, sich positiv auf das Immunsystem und die Abwehrkräfte auswirken und somit allgemein förderlich für die Gesundheit sind.
Die Kunst einer guten Ernährung liegt an der Kombination der Pflanzenbestandteile, zu denen auch Wurzeln, Samen und Blüten zählen. Mit einer frischen, bunten und abwechslungsreichen Ernährung, in der mal rohe und mal erhitzte pflanzliche Nahrungsmittel vorkommen, macht man mit Sicherheit nichts falsch.
Quellen
1Keller, M., & Leitzmann, C. (2011). Vegetarische Ernährung. Eine Ernährungsweise mit Zukunft. Universitas-Stuttgart-German Edition, 66(786), 48.
2Boyer, J., & Liu, R. H. (2004). Apple phytochemicals and their health benefits. Nutrition journal, 3(1), 5.
3Surh, Y. J. (2003). Cancer chemoprevention with dietary phytochemicals. Nature Reviews Cancer, 3(10), 768.
4Dillard, C. J., & German, J. B. (2000). Phytochemicals: nutraceuticals and human health. Journal of the Science of Food and Agriculture, 80(12), 1744-1756.
5Liu, R. H. (2004). Potential synergy of phytochemicals in cancer prevention: mechanism of action. The Journal of nutrition, 134(12), 3479S-3485S.