Antioxidantien schützen uns tagtäglich vor Angriffen – sie schmeißen sich heldenhaft vor unsere Zellmembranen, DNA, Proteine und co. damit wir gesund weiter leben können. Vor welchen Angriffen schützen sie uns denn? Wo kommen die Antioxidantien her?
Im letzten Beitrag ging es um freie Radikale, die NICHT wie bisher angenommen ein toxisches aber leider unvermeidbares Molekül für den Körper sind. Vielmehr stellte sicher heraus, dass sie ein vorsichtig reguliertes Zwischenprodukt (Metabolit) mit wichtigen Aufgaben in der Zellkommunikation und –regulation sind.
Somit sind freie Radikale in gewissem Maße nötig, Stichwort Immunsystem. Wird der Körper von diesen jedoch überschwemmt, können sie großen Schaden anrichten. Um das fragile Gleichgewicht in unserem Körper aufrecht zu erhalten, gibt es ein körpereigenes Schutzsystem aus Enzymen. Aber wie so häufig kann auch dieses überlastet sein und unter Umständen zu folgenreichen Krankheiten führen. Unter anderem werden Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, aber auch Parkinson und viele weitere Krankheiten mit freien Radikalen in Verbindung gebracht.
Es gibt aber gute Nachrichten: das körpereigene Schutzsystem muss nicht alleine kämpfen – über die Nahrung kann es Hilfe von Antioxidantien bekommen.
Was sind Antioxidantien?
Antioxidantien unterstützen den Körper dabei die freien Radikale in Schach zu halten, damit diese nicht überhand nehmen und großen Schaden anrichten. Direkt über die Nahrung werden diese durch Obst und Gemüse aufgenommen. Die Gruppe der Antioxidantien kann definiert werden als Substanzen, die den oxidativen Schaden verzögern, verhindern oder entfernen1.
Radikale sind eine große vielfältige Gruppe, da nahezu jedes Molekül zum Radikal werden kann und genauso vielfältig ist auch die Gruppe der Antioxidantien. Von daher sind hier nur die wichtigsten aufgezählt:
- Vitamin C (Ascorbinsäure)
- beispielsweise in Zitrusfrüchten, aber auch in Paprika, Beeren, Fenchelknollen, Sauerkraut, Acerola-Kirschen, etc.
- Vitamin E (alpha-Tocopherol, Antioxidans für alle Lipide)
- in kaltgepressten Pflanzenölen, Weizenkeimen, Vollkorngetreide, Nüssen, grünem Gemüse, Hülsenfrüchten, Avocados, etc.
- und Polyphenole (sekundäre Pflanzenstoffe) wie
– Carotinoide (u.a. in Karotten, Tomaten, Paprika, grünem Gemüse, etc.)
– Flavonoide (u.a. in Äpfeln, Birnen, Trauben, Pflaumen, Beeren, Zwiebeln, etc.)
– Phenolsäuren (u.a. in Kaffee, Tee, Vollkornprodukten, Nüssen, etc.)
– und ähnliche (mehr zu sekundären Pflanzenstoffen HIER)
Wirkung der Antioxidantien im Körper
Antioxidantien wirken als „Radikalfänger“ im Körper. Dies kann durch verschiedene Mechanismen ablaufen. Um jedoch nicht zu tief in die Chemie einzusteigen, versuche ich das Prinzip mal sehr zu vereinfachen:
Wie schon erwähnt sind die hoch aggressiven Radikale unvollständige Atome, die das große Bestreben haben sich beim Nachbarn zu bedienen um sich zu vervollständigen. Da der beklaute Nachbar nun unvollständig ist, geht dieser wiederum auf die Suche um wieder vollständig zu werden. So wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die im ungünstigen Fall großen Schaden anrichten kann.
An dieser Stelle greifen Antioxidantien ein:
Antioxidantien „fangen“ das hochaggressive Radikal (im Bild s.u. ist es ein Fettsäure-Radikal). Diese Interaktion kann mit einer Zahnradmaschinerie verglichen werden, wobei die einzelnen Komponenten ineinander greifen. Dabei wirken verschiedene Antioxidantien in unterschiedlichen Bereichen der Zelle, hier wird nur beispielhaft die Reaktion mit Vitamin E (Tocopherol) gezeigt. Vitamin E ist besonders wichtig in Verbindung mit Lipiden (Fetten) um zum Beispiel zu verhindern, dass Membranen angegriffen werden.
Das Vitamin E wird durch die Reaktion mit einem Fettsäure-Radikal selbst zu einem Radikal. Vitamin C übernimmt die Ladung vom Vitamin E, wird selber zum Radikal und regeneriert dadurch das Vitamin E.
Vitamin C wiederum wird durch Glutathion regeniert. Das Glutathion wird durch körpereigene Stoffwechselwege regeneriert und die Ladung sukzessive ins Zellplasma weitergeleitet, wo sie schließlich „verbrannt“ wird.
Vereinfachter, idealisierter Transport einer Radikal-Ladung von der Entstehung im lipophilen Bereich (z.B. Zellmembran) bis zur Entsorgung über NADP/NADPH7.
Dies ist nur exemplarisch und sehr vereinfacht dargestellt. Es sind noch viele weitere Enzyme an diesem Vorgang beteiligt, aber das würde dann zu unübersichtlich werden.
Was passiert nun bei Mangelzuständen?
Fall 1: Vitamin C-Mangel
Im Bild ist der ideale Fall dargestellt. Fehlt nun beispielsweise das Vitamin C, würde die Übergabe an das Glutathion gar nicht funktionieren, wodurch die komplette Kette unterbrochen wäre. Das Vitamin E würde somit weiterhin ein Radikal bleiben und könnte Schaden anrichten.
Fall 2: Vitamin E-Mangel
Fehlt nun das Vitamin E, fehlt der Radikal-Fänger. Mit anderen Worten, wir könnten noch so viel Vitamin C zuführen, wenn das Vitamin E nicht irgendwo dabei ist, werden die hochreaktiven Radikale weiterhin großen Schaden anrichten.
Wir lernen:
Ein einzelnes Antioxidans alleine macht noch kein effektives antioxidatives Schutzsystem!
Auch hier gilt das altbekannte Prinzip: das schwächste Glied bestimmt die Stärke der Kette. Hochdosierte isolierte Antioxidantien können folglich nur helfen, wenn tatsächlich ein Mangel besteht. Würde zum Beispiel im Fall 1 Vitamin E verabreicht werden, weil der Vitamin C-Mangel nicht erkannt wurde, würde kein positiver Effekt eintreten. Vielleicht gäbe es sogar genau den gegenteiligen Effekt.
Was passiert mit den Antioxidantien, wenn sie ein Radikal gefangen haben?
Im Fall oben mit Vitamin E haben wir gesehen, dass das Vitamin E „recycelt“ werden kann, wenn genug Vitamin C zur Verfügung steht. Vitamin E kann somit wiederverwertet werden.
Antioxidanten können entweder recycelt und dann wiederverwertet werden oder aber sie „sterben“ heldenhaft, während sie uns schützen wollen.
Das gilt jedoch nicht für jedes Antioxidans. Manche können nicht regeneriert werden, sondern werden „verbraucht“ bei einer Reaktion mit einem Radikal. Dieses Antioxidans muss dann erst wieder über die Nahrung zugeführt werden, damit der Körper davon profitieren kann.
Hier wird sehr schön der Unterschied zwischen Enzymen und Antioxidantien deutlich. Enzyme beschleunigen zwar eine Reaktion, werden dabei aber nicht verbraucht. Das heißt sie nehmen nur kurzzeitig eine andere Form an, helfen ihrem Partner quasi über die Mauer, und gehen anschließend wieder zurück in ihre Startbox, wo sie geduldig auf neue Aufgaben warten. So funktioniert das körpereigene Schutzsystem.
Antioxidantien, die über die Nahrung aufgenommen werden, müssen sich ihre verlorenen Elektronen hart zurück erkämpfen um sich zu regenerieren. Deshalb sind häufig mehrere verschiedene Antioxidantien nötig, um ein Radikal tatsächlich „unschädlich“ zu machen1.
Antioxidantien zur Verlängerung der Haltbarkeit in der Nahrung
Im Gegensatz zum „Recyclingprinzip“ im Körper, können die in Lebensmitteln eingesetzten Antioxidantien NICHT wiederverwertet werden. Haben sie ein Radikal „neutralisiert“, sind sie unbrauchbar. Das ist auch der Grund weshalb Lebensmittel trotzdem nur eine begrenzte Haltbarkeit haben.
Antioxidantien als Supplement (Nahrungsergänzungsmittel)
Das Zusammenspiel in der Natur ist sehr komplex und die Forschung versucht immernoch hinter die Geheimnisse der Prinzipien zu kommen.
Es gibt sehr viele Studien über Antioxidantien, jedoch sind die Ergebnisse häufig ernüchternd. Beim Blick auf das Zahnradsystem wird vielleicht auch deutlich, warum es so schwer ist Aussagen über die Wirkung bzw. das Zusammenspiel von Antioxidantien zu machen.
Manchmal wird festgestellt, dass die Gabe eines hochdosierten isolierten Antioxidans sogar negative Auswirkungen haben kann. Obwohl ß-Carotin eigentlich eine antikanzerogene Wirkung zugesprochen wurde, erhöhte hochdosiertes ß-Carotin (Supplement) bei schweren Rauchern (und Asbest-Arbeitern) das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken8. Das soll nun nicht bedeuten, dass ß-Carotin grundlegend schlecht sei – nur sollte es vielleicht nicht hochdosiert und isoliert von Rauchern eingenommen werden.
Auch der Alterungsprozess wird unter anderem den freien Radikalen zugesprochen. Die logische Schlussfolgerung wäre: je mehr Antioxidantien, desto eher kann der Alterungsprozess verlangsamt oder gar verhindert werden. Viele Studien mit Supplementen wurden durchgeführt – jedoch wurde häufig kein oder sogar ein negativer Effekt beobachtet3.
Von daher ist es tatsächlich möglich, dass es nicht um die einzelnen isolierten Wirkstoffe alleine geht, sondern um das Zusammenspiel vieler verschiedener, die uns vor bestimmten Krankheiten schützen2. Die beste Empfehlung ist und bleibt scheinbar sich seine Antioxidantien über die natürliche Nahrung zuzuführen. Obst und Gemüse enthält einen ganzen Pool von Antioxidantien in einer von der Natur dosierten Menge. Manchmal sind sogar Substanzen enthalten, die noch nicht in den Regalen in Supermärkten oder Apotheken zu finden sind.
Hochdosierte isolierte Antioxidantien und Sport
Viele Athleten, sowohl im Leistungssport als auch Amateure, nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Dabei gehören Mineralstoffe und Vitamine zu den beliebtesten, dicht gefolgt von Sportdrinks und Kohlenhydraten4. Unter den Vitaminen sind Vitamin C und Vitamin E als Supplement ganz vorne dabei4. Mit welcher Begründung gerade diese Präparate genommen werden, ist unterschiedlich.
Bekannt ist: Bewegung erhöht den Stoffwechsel, also bildet dieser auch mehr freie Radikale. Aber wie wir ja gelernt haben, sind freie Radikale nicht per se schlecht, sondern nur ein Übermaß an freien Radikalen stresst den Körper.
So wurde festgestellt, dass moderater Sport den Körper noch nicht in oxidativen Stress versetzt (wer sich fragt was oxidativer Stress ist, kann das hier nachlesen). Es passiert eigentlich genau das Gegenteil: bei regelmäßiger moderater Bewegung fungieren die freigesetzten Radikale als Signal für den Körper mehr Schutz-Enzyme zu produzieren, die für die Anpassung an die neue Belastungsintensität wichtig sind. Erst wenn der Sport bis zur vollständigen Erschöpfung ausgeführt wird, werden unheimlich viele freie Radikale gebildet5.
Mit anderen Worten: bei regelmäßigem moderatem Training schützt der Körper sich selber, indem er sein körpereigenes Schutzsystem gegen freie Radikale hoch fährt. Wer sich also langsam an ein neues Trainingslevel herantastet, wird seinem Körper dabei etwas Gutes tun.
Moderate Bewegung wirkt antioxidativ
Hochdosierte isolierte Antioxidantien wirken sich negativ auf die Trainingseffekte aus. Dem Graphen liegen keine Messwerte zugrunde – er soll nur bildlich darstellen was die Antioxidantien bewirken.
Studien haben gezeigt, dass die Einnahme von Antioxidantien vor dem Training, sich negativ auf die trainingsbedingte Leistungssteigerung auswirkt5.
In einer Studie mit Ratten rannten diese 100 Minuten bis zur völligen Erschöpfung. Nach 6 Wochen Training konnten sie 300 Minuten durchhalten bevor sie erschöpft waren. Die Ratten jedoch, denen während der 6 Wochen Vitamin C verabreicht wurde, konnten nach derselben Trainingszeit nur 120 Minuten durchhalten. Vitamin C lindert also den Trainingseffekt5.
Hinweis: Dies gilt jedoch nur für hochdosierte isolierte Antioxidantien. Eingebunden in Obst oder Gemüse konnten noch keine negativen Auswirkungen beobachtet werden.
Die negativen Auswirkungen auf den Trainingseffekt sind bildlich im Graphen dargestellt. Zu sehen ist, dass die Traingserschöpfung mit Antioxidantien nicht ganz so extrem ausfällt, dafür die Leistungssteigerung am Ende der Regeneration ebenfalls geringer ausfällt.
Die Autoren des Papers5 weisen auf das zweischneidige Schwert durch die Einnahme von Antioxidantien hin. So erklären sie, dass eine dauerhafte Einnahme während des Trainings nicht empfehlenswert sei. Eine kurzzeitige gezielte Gabe könnte jedoch bei Wettkämpfen angebracht sein, da die Sportler sich dort meist völlig verausgaben und der Körper dabei mit großer Wahrscheinlichkeit in oxidativen Stress gelangen wird5.
In einem anderen Paper wird darauf hingewiesen, dass eine ausgewogene Ernährung oberste Priorität haben sollte. Erst wenn es nicht gelingt die benötigten Nährstoffe über die Nahrung zuzuführen, sollten Vitamine und Mineralstoffe als Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz kommen. Neben dem Kostenfaktor bestehe nämlich auch immer das Risiko des positiven Dopingtests6.
Fazit
Antioxidantien aus Obst und Gemüse sind für den Körper eine absolute Bereicherung! Sie sind köstlich verpackt, unterstützen den Körper und sind in Konzentrationen enthalten, die von der Natur vorgegeben sind. Es konnte noch kein negativer Effekt nachgewiesen werden.
Anders sieht die Studienlage bei isolierten Antioxidantien wie z.B. Vitamin C Tabletten aus. Sie scheinen keinen Mehrwert gegenüber Obst und Gemüse zu bringen. Letztere sind darüberhinaus deutlich leckerer und günstiger! Außerdem enthalten antioxidantienreiche Nahrungsmittel zusätzlich noch Mineralstoffe. Wie hier erklärt, sind besonders Selen, Zink, Kupfer und Mangan nötig um das körpereigene enzymatische Abwehrsystem zu unterstützen.
Vielleicht sollten wir anders herum denken: nicht das hochdosierte Hinzuführen von Antioxidantien führt zu einem besseren Leben, sondern das Fehlen bestimmter Stoffe lässt uns krank werden.
Da die Bestimmung eines Defizits häufig schwierig ist oder erst nach längerer Zeit entdeckt wird, plädiere ich dafür der Natur zu vertrauen, viel unterschiedliches Obst und Gemüse zu essen und das so frisch und unverarbeitet wie möglich. Dann sollte bei gesunden Personen eigentlich kein Mangel entstehen.
Sollte ein Arzt doch mal einen Mangel feststellen, kann dann immernoch auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen werden. Dann jedoch gezielt und über einen begrenzten Zeitraum. Aber behaltet das Zahnradsystem im Hinterkopf – wird keine Besserung festgestellt, fehlt es vielleicht noch an einer anderen Stelle.
Mit dieser Erkenntnis wünsche ich euch einen schönen und strahlenden Start in die Woche!
Quellen
1Winterbourn, C. C.; Reconciling the chemistry and biology of reactive oxygen species. Nature Chemical Biology, 2008; 4 (5):278–286. doi: 10.1038/nchembio.85
2Ross J. A.; Kasum C. M.; Dietary flavonoids: bioavailability, metabolic effects, and safety. Annual review of nutrition, 2002; 22, 19–34. doi: 10.1146/annurev.nutr.22.111401.144957
3Sadowska-Bartosz, I.; Bartosz, G.; Effect of Antioxidants Supplementation on Aging and Longevity. BioMed Research International, 2014, Article ID 404680, 17 pages. http://dx.doi.org/10.1155/2014/404680
4Braun H, Koehler K, Geyer H, Kleiner J, Mester J, Schanzer W. Dietary supplement use among elite young German athletes. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism. 2009;19:97–109.
5Gomez-Cabrera M.-C., Domenech E., Viña J. Moderate exercise is an antioxidant: upregulation of antioxidant genes by training. Free Radical Biology and Medicine. 2008;44(2):126–131. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2007.02.001.
6Maughan RJ, Depiesse F, Geyer H. International Association of Athletics Federations. The use of dietary supplements by athletes. Journal of Sports Sciences 2007;25(1):S103–113.
7Birben E, Sahiner UM, Sackesen C, Erzurum S, Kalayci O. Oxidative stress and antioxidant defense. World Allergy Organ Journal. 2012;5:9–19. doi: 10.1097/WOX.0b013e3182439613.
8Paolini M, Cantelli-Forti G, Perocco P, Pedulli GF, Abdel-Rahman SZ, Legator MS. Co-carcinogenic effect of ß-carotene. Nature 1999;398:760–61. doi:10.1038/19655