Warum sind sie inzwischen so negativ behaftet?
„Low carb – Kohlenhydrate einschränken – Essen ohne Kohlenhydrate – Abends keine Kohlenhydrate“
Das sind alles Meldungen aus Zeitschriften, Büchern, Zeitungen, etc. Allen gemeinsam ist die Empfehlung weniger Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Inzwischen gibt es viele Menschen, die schon fast ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Kohlenhydrate zu sich nehmen. Zu recht?
Es gibt zwar keine „essentiellen Kohlenhydrate“ wie es essentielle Fettsäuren oder essentielle Proteine gibt, jedoch ist Glukose die Ausgangssubstanz für viele wichtige Vorgänge im Stoffwechsel. Für die Versorgung der Gehirnzellen und der Erythrozyten zum Beispiel ist dieses Molekül unverzichtbar.
In gewissen Mengen braucht der Körper Kohlenhydrate – und genau das ist der Knackpunkt. In gewissen Mengen – nicht in Unmengen!
Was der Körper NICHT braucht, sind raffinierte Kohlenhydrate, die praktisch frei von Ballaststoffen und essentiellen Nährstoffen sind!
Was sind Kohlenhydrate?
Chemisch gesehen sind Kohlenhydrate Ketten aus aneinander gereihten Glukosemolekülen (Zuckermoleküen). Diese Ketten können aus nur einem Molekül oder aus 10 000 Molekülen bestehen. Kurze Ketten (Mono- und Disaccharide) sind einfache Kohlenhydrate, lange Ketten (Oligo- und Polysaccharide) sind komplexe Kohlenhydrate.
Schon gewusst?
Aus den banalen Stoffen Wasser, Kohlenstoffdioxid und Licht können Pflanzen Glukose (Zucker) produzieren. Ist das nicht toll?! Dieser Vorgang wird Photosynthese genannt.
Wir Menschen können das leider nicht. Aus diesem Grund müssen wir Kohlenhydrate über die Nahrung aufnehmen.
Was macht unser Körper mit den aufgenommen Kohlenhydraten?
Unser Dünndarm kann nur Monosaccharide (Glukose, Fruktose und Galactose) resorbieren (aufnehmen). Da diese meist in der Natur in Form von langen Ketten vorkommen, müssen die langen Ketten zerkleinert werden.
Dies geschieht mit Hilfe von Enzymen und beginnt bereits im Mund. Unsere Verdauung wandelt die langen Glukoseketten in (Blut-) Zucker (=Einfachzucker Glukose) um, damit dieser dann über das Blut zu den einzelnen Zellen transportiert werden kann.
In den Zellen wiederum dient der Zucker der Energieherstellung. Jede Zelle hat seine eigenen kleinen Kraftwerke – die Mitochondrien.
Neben der Energieversorgung nehmen Kohlenhydrate aber auch wichtige Funktionen bei der Zellerkennung wahr. Auf dieser Basis funktioniert beispielsweise das AB0-System der Blutgruppen. Unser Immunsystem erkennt körperfremde Zellen aufgrund unterschiedlicher Kohlenhydratketten auf der Außenseite und kann darauf dann entsprechend reagieren.
In gewissen Mengen braucht der Körper Kohlenhydrate – und genau das ist der Knackpunkt. In gewissen Mengen – nicht in Unmengen!
Was der Körper NICHT braucht, sind raffinierte Kohlenhydrate, die praktisch frei von Ballaststoffen und essentiellen Nährstoffen sind!
Einteilung der Kohlenhydrate
Kohlenhydrate lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: es gibt die
einfachen Kohlenhydrate : dazu gehören die Monosaccharide und Disaccharide
und die
komplexen Kohlenhydrate : Oligosaccharide und Polysaccharide.
Beispiele für einfache Kohlenhydrate:
einfache Kohlenhydrate | Beispiele | Wo sind sie z.B. enthalten? |
Monosaccharide
(Einfachzucker)
| Glukose = Dextrose = Traubenzucker, Fruktose,
Galaktose
| Honig, Früchten, süßen
Getränken, Süßigkeiten,
Milch, Gemüse
|
Disaccharide
(Zweifachzucker)
| Saccharose, Maltose,
Laktose
| Haushaltszucker, Marmeladen,
Süßigkeiten, Bier, Milch, Limonadengetränke
|
Einfache Kohlenhydrate
gelangen schnell ins Blut. Bereits kurz nach dem Verzehr ist der Blutzucker erhöht. Damit der Zucker in die Zellen gelangen kann, wird Insulin benötigt. Insulin ist ein Hormon, welches von der Bauchspeicheldrüse hergestellt wird. Es fungiert wie ein Schlüssel, welcher die Zelle für die Glukose öffnet. Einmal in der Zelle angelangt, dient der Zucker der Energiegewinnung.
Hauptlieferanten von einfachen Kohlenhydraten sind Süßigkeiten, Kekse, aber auch süße Getränke wie Limonaden und auch Fruchtsäfte. Ketchup und Fertigsoßen enthalten ebenfalls viel Zucker, welcher sich meist hinter Namen wie Glukosesirup, Fruktosesirup oder Invertzucker, und noch anderen Begriffen versteckt. „Dextro Energy“ ist als „schneller Energiespender für Zwischendurch“ aus der Werbung bekannt. In der Schule und auch an der Uni wird es gerne während Klausuren gegessen/gelutscht.
Zu den komplexen Kohlenhydraten gehören unter anderem folgende:
komplexe Kohlenhydrate | Beispiele | Wo sind sie z.B. enthalten? |
Oligosaccharide
(Mehrfachzucker)
| Dextrine, Maltotriose, etc. | Zuckerrohrmelasse, Hülsenfrüchte, Zerealien |
Polysaccharide
(Vielfachzucker)
|
- Stärke
- Glykogen ( = tierisches Pendant zur Stärke)
- unverdaulich für den Menschen: Zellulose, Pektine (=Ballaststoffe)
| - Kartoffeln, Getreide, Mais, Reis, Bohnen
- Leber
- Ballaststoffe in Getreiderandschichten (Kleie), Obst und Gemüse
|
Komplexe Kohlenhydrate
sind lange Ketten bestehend aus einzelnen Zuckerbausteinen. Ein bekanntes und häufig vorkommendes Beispiel ist die Stärke. Die Verbindungen zwischen den Zuckerbausteinen müssen erst aufgebrochen werden, weshalb der Übergang ins Blut sehr viel langsamer und kontinuierlicher erfolgt. Somit kann auch die Bauchspeicheldrüse sehr viel langsamer und kontinuierlicher arbeiten.
Bildlich kann man sich das Ganze wie folgt vorstellen:
wollen ganz viele Menschen (=Glukose) gleichzeitig auf Toilette (=Zelle), gerät die Putzfrau (=Bauchspeicheldrüse) unter Stress und kommt mit ihren Aufgaben (=Insulinproduktion) nicht mehr hinterher. Hält dieser Zustand länger an, kann entweder die Putzfrau streiken, sprich die Bauchspeicheldrüse produziert kein/kaum noch Insulin (Typ-2-Diabetes). Oder aber aufgrund des Rückstaus vor der Toilette werden auch andere Leute in ihren Verrichtungen behindert, was zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann.
Kommen die Menschen zeitversetzt, so hat die Putzfrau die Möglichkeit die Toilette nach jeder Benutzung zu reinigen und somit die Chance auf eine Infektion enorm zu verringern.
Deshalb sollten komplexe Kohlenhydrate bevorzugt werden, damit die Bauchspeicheldrüse mit ihrer Arbeit hinterherkommt. Diese befinden sich in Gemüse wie z.B. Kartoffeln, Karotten, in Obst und Vollkornprodukten aber auch in Hülsenfrüchten.
Unsere Nahrung sollte überwiegend aus komplexen Kohlenhydraten bestehen.
Cellulose – eine Besonderheit unter den komplexen Kohlenhydraten
Eine Sonderstellung unter den komplexen Kohlenhydraten hat die Cellulose (und andere pflanzlichen „Fasern“). Cellulose ist ebenfalls eine lange Kette aus Zuckerbausteinen, jedoch sind es die Verbindungen zwischen den Molekülen, die das Charakteristische sind.
Wir Menschen haben keine körpereigenen Enzyme, die diese Verbindungen knacken könnten, weshalb Cellulose für den Menschen (nahezu) unverdaulich ist.
Diese unverdaulichen Kohlenhydrate werden als Ballaststoffe bezeichnet, welche ebenfalls eine große Rolle in einer gesunden Ernährung spielen, da sie die Darmtätigkeit anregen und Nahrung für unsere Darmflora sind (mehr zur Darmflora findet ihr sowohl hier, als auch hier und hier). Warum Ballaststoffe in keiner Mahlzeit fehlen sollten, erfahrt ihr hier.
Wie wir nun gesehen haben, sind Kohlenhydrate in fast allen Lebensmitteln enthalten. Es gibt kaum ein natürliches Lebensmittel ohne Kohlenhydrate – nur die Gewichtung der Zusammensetzung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen ist unterschiedlich.
Ein zu viel an Zucker wird als Fett gespeichert.
Aus diesem Grund haben Kohlenhydrate inzwischen einen negativen Beigeschmack bekommen.
Dies allerdings zu Unrecht!
Der Körper braucht Kohlenhydrate.
Was häufig verwechselt und vergessen wird, ist folgendes:
Unsere Kohlenhydratquellen sollten nicht nur aus Weizenmehl bestehen!
Was häufig zu Problemen führen kann, ist das Übermaß an verarbeiteten Mehlen wie Weizenmehl, Roggenmehl und Gerstenmehl. Diese ausgemahlenen Mehle enthalten nämlich überwiegend einfache Kohlenhydrate, die, wie weiter oben beschrieben, sehr schnell ins Blut übergehen und somit auf Dauer das Insulinsystem durcheinander bringen. Besonders Weizenmehl ist inzwischen in unheimlich vielen Lebensmitteln vertreten. Essen wir vielleicht zu viel Weizenmehl?
Auf jeden Fall wäre es besser die Kohlenhydrate aus verschiedenen Quellen zusammenzustellen.
Zum Beispiel: morgens Früchte mit Chiasamen.
Oder wer morgens etwas mehr braucht kann sich auch gerne mal Haferflockenbrei oder eine Abwandlung des Birchermüslis zubereiten. Ebenfalls sehr zu empfehlen ist Quinoa zum Frühstück. Mittags vielleicht einen Salat mit Bohnen und abends einen Joghurtdip mit Zucchini. Als Snack bietet sich jede Art von Früchten an, aber auch Trockenfrüchte oder Studentenfutter.
Warum ist es so wichtig verschiedene Kohlenhydratquellen zu haben?
Zellen gewinnen ihre Energie aus Glukose. Um die Kohlenhydrate in Glukose umzuwandeln, braucht es kleine Helferlein – wie die Mainzelmännchen. Diese nennen sich Enzyme. Enzyme bestehen aus Proteinen (Aminosäuren), aber um funktionstüchtig zu sein, ist auch die Anwesenheit von Vitaminen und Mineralstoffen nötig.
Denkt an das Beispiel des Hausbaus: versuche ich ein Haus nur aus Steinen zu bauen, ohne Mörtel, Kalk und Zement würde das Haus den verschiedenen Witterungsbedingungen nicht standhalten können. Hier ist „Teamarbeit“ gefordert – jedes Element hat seine Aufgabe. Genauso ist es mit unserem Körper. Auch so kleine, scheinbar unwichtigen Mikronährstoffe sind unheimlich wichtig.
Leider ist der Gehalt von Mikronährstoffen in verarbeiteten Lebensmitteln häufig sehr gering, weshalb auf eine abwechslungsreiche Ernährung geachtet werden sollte. Am besten wäre es natürlich so wenig wie möglich verarbeitete Lebensmittel zu sich zu nehmen!