Im vorherigen Beitrag ging es um Omega-Fettsäuren allgemein. Heute geht es um zwei Fettsäuren, die nach heutigem Wissensstand als essentiell angesehen werden – also über die Nahrung zugeführt werden müssen.
Da der Körper Fett aus Kohlenhydraten selber herstellen kann, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts Nahrungsfett nicht als essentiell angesehen. Dies änderte sich jedoch als die Linolsäure (Omega-6-Fettsäure) und kurz darauf auch die alpha-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure) entdeckt wurden.
Die Entdeckung der Linolsäure (Omega-6-FS)
George Oswald Burr gelang in seinen Experimenten mit Ratten die Entdeckung der Linolsäure. Bei einer komplett fett-freien Diät verzeichnete er ein vermindertes Wachstum und ein Krankheitsbild mit Hautläsionen, welches nicht dem des bekannten Vitamin E Mangels glich.
Wie sich heraus stellte, konnte die Krankheit mit einem Bestandteil geheilt werden, der sich in der Fettsäurefraktion befand. Welcher, blieb noch herauszufinden.
Anfangs gingen Burr und sein Kollege Evans von einem Vitamin aus, welches Vitamin F getauft wurde. Heute weiß man, dass es kein Vitamin ist, weshalb dieser Name eigentlich veraltet ist. Dennoch taucht er in manchen (wenigen) Texten auf und bezieht sich dann auf die essentiellen Fettsäuren, die vom Körper nicht selber produziert werden können.
Burr stellte später (1930) fest, dass durch die Gabe der Omega-6-Fettsäure Linolsäure die Mangelerscheinungen verschwanden, vor allem die Hautläsionen.
Kleine Info am Rande: Da sich die Herstellung von rein gesättigten Fettsäuren damals als schwierig erwies, wurden die Versuche mit Ölen durchgeführt.
Dabei erwiesen sich folgende Öle als besonders positiv um die Mangelerscheinungen zu bekämpfen:
Während Butterfett, Ei-Lecithin und Olivenöl einen geringen Effekt hatten, hatte Kokosnussöl, welches hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren besteht, keinen Einfluss.
Dies war die Geburtsstunde der essentiellen omega-6-Fettsäure Linolsäure.
Wie es häufig der Fall ist, dauerte es natürlich bis dies akzeptiert wurde und auch Beweise vorlagen.
Tatsächlich können Säugetiere keine Linolsäure selber herstellen.
Wofür ist die Linolsäure nötig?
Aus der Linolsäure werden durch Verlängerung und dem Einbau von weiteren Doppelbindungen noch andere Omega-6-Fettsäuren gebildet. Eine sehr bekannte ist die Arachidonsäure (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Stoffwechselweg der Omega-6-Fettsäuren im Menschen vereinfacht dargestellt
Beide Omega-6-Fettsäuren (Linol- und Arachidonsäure) werden in unseren Zellmembranen eingebaut – besonders für die Haut sind sie unerlässlich. Ein Mangel macht sich bemerkbar durch Hautläsionen und Undichtigkeit der Haut wodurch der Körper unkontrolliert Wasser verliert. Um dies zu umgehen ist allerdings nur ein sehr geringer Bedarf an Linolsäure nötig: 1% der Energie reicht scheinbar aus1.
Aus der Arachidonsäure werden Gewebshormone (Eikosanoide) gebildet, die entzündungsfördernd wirken. Sie erhöhen die Thrombozytenaggregation (Zusammenlagerung der Thrombozyten), sie regulieren den lokalen Blutfluss und kontrollieren den Ionenfluss über Membranen. Dies ist Teil der natürlichen aber hochkomplexen Abwehrreaktion des Körpers bei Eindringlingen wie z.B. Bakterien oder aber auch bei Giftstoffen und ähnlichem.
Das Medikament Aspirin greift zum Beispiel genau hier ein – es blockiert nämlich die Synthese der meisten Eikosanoide.
Entdeckung der alpha-Linolensäure (Omega-3-FS)
1931 schlussfolgerte Burr, dass neben der Linolsäure eine weitere Fettsäure essentiell sein müsse – nämlich die alpha-Linolensäure. Allerdings gab es auch hier wieder viele Skeptiker. Sie argumentierten, dass die Wirkung geringer wäre als bei der Gabe von Linolsäure und auch, dass die Hautläsionen sich nicht durch die Omega-3-Fettsäure heilen ließen. Außerdem wurde beobachtet, dass die Linolsäure und die alpha-Linolensäure sich wohl kompetitiv beeinflussten im Hinblick auf Linderung der Mangelerscheinungen. Es dauerte ca. 50 Jahre bis hier Klarheit geschaffen wurde.
Burr sollte recht behalten. Heute weiß man, dass auch die alpha-Linolensäure (n=3) nicht vom Körper hergestellt werden kann, weshalb sie über die Nahrung zugeführt werden muss. Bei verschiedenen Versuchen zeigte sie sich nicht nur im Gehirn und im Auge (Retina) als besonders wertvoll, sondern auch bei der Weiterleitung von Informationen über die Nervenzellen.
Abb. 2: Stoffwechselweg der Omega-3-Fettsäuren im Menschen vereinfacht dargestellt
Die Wirkung der Omega-3-Fettsäuren wurde lange ignoriert, da man sich anfangs auf die Omega-6-Fettsäure Linolsäure und deren Metabolit Arachidonsäure konzentrierte.
Erst als bekannt wurde, dass die überwiegend Fisch essenden Grönland Eskimos trotz ihrer fettreichen Ernährung sehr viel weniger Herzkreislauferkrankungen aufwiesen, wurde man hellhörig.
Zwei im Fisch enthaltene Fettsäuren wurden hierfür verantwortlich gemacht: Eicosapenthaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).
Sie sollen niedrige Cholesterinwerte bewirken und auch die Aggregation von Blutplättchen (Thrombozyten) vermindern, wodurch weniger Thrombosen entstehen. Weiterhin wird beschrieben, dass sie die Erythrozytenmembran positiv beeinflussen. Erythrozyten sind die roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff von der Lunge zum benötigt Ort transportieren. Ist ihre Membran defekt, ist der Sauerstofftransport vermindert, was natürlich nicht gut ist 2.
Die Fettsäurezusammensetzung der Zellmembran wird maßgeblich durch die Ernährung beeinflusst. Proteine dagegen sind genetisch vorgegeben.
Der menschliche Körper kann diese Fettsäuren zwar auch mit Hilfe von Enzymen aus der essenziellen alpha-Linolensäure selber herstellen (siehe Abb. 2), jedoch nur zu einem relativ geringen Prozentsatz. Laut heutigem Wissensstand werden nur ca. 5 bis 10% der aufgenommenen alpha-Linolensäure in Eicosapenthaensäure (EPA) und sogar nur 1 bis 5% in Docosahexaensäure (DHA) umgewandelt3. Da die Umwandlungsrate so gering ist, empfehlen einige Wissenschaftler auch diese beiden Fettsäuren über die Nahrung oder über Nahrungsergängzungsmittel aufzunehmen.
EPA und DHA sind vor allem in fetten Fischen vorhanden. Diese wiederum beziehen ihre Fettsäuren (EPA und DHA) aus Algen und Krill. Deshalb werden Omega-3-Fettsäuren und Fisch fast immer in einem Atemzug genannt. Aber wie gesagt: zu einem gewissem Grad kann der Körper EPA und DHA selber herstellen, wenn genug alpha-Linolensäure vorhanden ist (UND nicht zu viel von der Omega-6-Fettsäure Linolsäure –> mehr dazu im nächsten Absatz).
Die alpha-Linolensäure lässt sich auch aus pflanzlichen Quellen gewinnen. Oder eben wie die Fische über Algen. Wie hoch die Menge an EPA und DHA sein muss um tatsächlich Wirkung zu zeigen wird noch diskutiert. Es scheint aber wie so häufig abhängig von mehreren Faktoren zu sein.
Vorbeugend werden mindestens 2 Portionen Fisch pro Woche empfohlen, wobei mindestens 1 Portion von einem fetten Fisch wie z.B. Makrele, Lachs oder Hering stammen sollte4.
Linolsäure und alpha-Linolensäure sind Gegenspieler
Ich hatte erwähnt, dass es Beobachtungen gab, bei der sich die Linolsäure und die alpha-Linolensäure kompetitiv beeinflussen. Dies stimmt auch.
Laut heutigem Wissensstand haben die beiden essentiellen Fettsäuren jeweils ihren eigenen getrennten Stoffwechselweg, können sich also nicht gegenseitig ersetzen, ABER sie konkurrieren um ein und dasselbe Enzymsystem. Es sind genaugenommen Gegenspieler. Eigentlich bevorzugt das Enzymsystem zwar die alpha-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure), aber bei erhöhtem Aufkommen von Linolsäure (Omega-6-Fettsäure), hat diese dann die Überhand.
Mit dem selben Enzymsystem werden also unterschiedliche Fettsäuregruppen gebildet:
- ist die Ausgangssubstanz eine Omega-6-Fettsäure (Linolsäure), so entstehen natürlich weitere Omega-6-Fettsäuren
- bekanntester Vertreter: Arachidonsäure
- ist die Ausgangssubstanz jedoch eine Omega-3-Fettsäure (alpha-Linolensäure), entstehen weitere Omega-3-Fettsäuren
- bekanntester Vertreter: Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA)
Wie schon erwähnt, werden aus der Arachidonsäure (Omega-6-Fettsäure) entzündungsfördernde Substanzen (Eikosanoide) gebildet.
Die Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) ist ebenfalls wieder Ausgangssubstanz von Eikosanoiden – jedoch wirken diese Eikosanoide entzündungshemmend!
Zusammenfassend kann man sagen:
- Omega-6-FS wirken entzündungsfördernd
- Omega-3-FS wirken entzündungshemmend
Natürlich ist das Ganze nicht so einfach wie es sich hier anhört und es gibt auch wieder Ausnahmen, aber wir lassen das jetzt einfach mal so im Raum stehen. Es muss ja nun nicht unnötig kompliziert werden.
Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren
Nun kann man vielleicht auch verstehen, warum das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren so wichtig ist. Denn beide Eikosanoide haben ihre Daseinsberechtigung, ABER wenn deutlich mehr Omega-6-Fettsäuren als Omega-3-Fettsäuren über die Nahrung zugeführt werden, wird es sehr viel mehr entzündungsfördernde Gewebshormone geben und im schlimmsten Fall entstehen Entzündungen wo keine sein sollten. Oder die Thrombozyten lagern sich an der falschen Stelle zusammen und verstopfen somit ein Gefäß, was zum Thrombus führen würde, welcher im schlimmsten Fall tödlich enden könnte.
Ihr seht also, das Verhältnis ist wichtig!!!
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Linolsäure und alpha-Linolensäure in einem Verhältnis von unter 5:1 aufzunehmen, ich würde sogar sagen 1:1 wäre am besten. Derzeit beträgt das Verhältnis etwa 15:1 bis 16,7:15.
Dies liegt einerseits an der technologischen Verarbeitung von Nahrungsmitteln, aber auch an dem hohen Konsum von Getreide, welches hauptsächlich Linolsäure enthält.
Hierbei möchte ich auch zu bedenken geben, dass sich nicht nur bei uns Menschen das Verhältnis von Omega-6 : Omega-3 Fettsäuren deutlich zu Gunsten der Omega-6-Fettsäuren verschoben hat. Auch füttern (mästen) wir unsere Nutztiere zunehmend mit Getreide welches viel Linolsäure (Omega-6) enthält. Die Tiere, wie alle Säugetiere, können die Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren NICHT selber herstellen. Somit ist der Gehalt an Omega-6-Fettsäuren im Fleisch, aber auch in den Produkten, die wir von den Tieren bekommen wie bspw. Milch, Käse, Eier, etc. deutlich höher, während der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren sinkt. In Studien wurde gezeigt, dass man das Fettsäuremuster mit der Fütterung deutlich beeinflussen kann. Heumilch (Kühe werden NICHT mit Silage, Kraftfutter gefüttert) hat beispielsweise einen signifikant höheren Omega-3-Fettsäure Gehalt als zum Beispiel Grassilage-Milch6.
Auch die auf Fischfarmen gezüchteten Fische haben weniger Omega-3-Fettsäuren als der Wildfang, was auch wieder an der Fütterung liegt. Wir erinnern uns: Fische ernähren sich normalerweise von Algen, wodurch sie Omega-3-Fettsäuren aufnehmen.
Um die Qualität unserer Nahrung zu verbessern, wäre es besser wir würden unsere Tiere mit ihrem natürlichen Futter füttern.
Fazit:
Es gibt 2 essentielle Fettsäuren, die über die Nahrung zugeführt werden müssen. Da das Verhältnis von Omega-6-Fettsäuren zu Omega-3-Fettsäuren möglichst ausgeglichen sein sollte und wir mit der heutigen Ernährung meistens zu viel Omega-6-Fettsäuren zu uns nehmen, sollte das Hauptaugenmerk auf den Omega-3-Fettsäuren liegen.
Anstelle von Distel- oder Sonnenblumenöl in der Salatsoße wäre bespielsweise Olivenöl mit 1 EL Leinöl oder Walnussöl empfehlenswert. Weiterhin sollten 2 Portionen Fisch pro Woche auf den Tisch kommen – am besten Lachs, Hering oder Makrele. Chiasamen sind auch eine gute Ergänzung, diese können abends zum Beispiel schon in Wasser quellen gelassen werden und am nächsten Morgen unters Müsli oder in den Smoothie gemischt werden.
Quellen
1Calder PC. Functional roles of fatty acids and their effects on human health.JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2015;39(1 Suppl):18S–32S. doi: 10.1177/0148607115595980.
2Simopoulos A. P. The importance of the ratio of omega-6/omega-3 essential fatty acids. Biomed. Pharmacother. (2002);56:365–379. doi: 10.1016/S0753-3322(02)00253-6
3Jaroslav A. Kralovec, Shuocheng Zhang, Wei Zhang, Colin J. Barrow, A review of the progress in enzymatic concentration and microencapsulation of omega-3 rich oil from fish and microbial sources, Food Chemistry, Volume 131, Issue 2, 15 March 2012, Pages 639-644, ISSN 0308-8146, doi.org/10.1016/j.foodchem.2011.08.085.
4European Guidelines on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice. EHJ 2012. doi: 10.1093/eurheartj/ehs092
5Simopoulos A. Evolutionary aspects of diet, the omega-6/omega-3 ratio and genetic variation: nutritional implications for chronic diseases. Biomedicine & Pharmacotherap. 2006;60(9):502–7
6VELIK, M., J. KAUFMANN und L. GRUBER, 2015: Einfluss von Gras-Konservierungsverfahren auf das Milch-Fettsäurenmuster. 42. Viehwirtschaftliche Fachtagung, 25.-26. März 2015, Bericht HBLFA Raumberg-Gumpenstein 2015, 75-80
Ein sehr interessanter Beitrag. Ich vermisse jedoch das Rapsöl, das ja bereits natürlicherweise ein ideales Verhältnis von alpha-Linolensäure zu Linolsäure von 1:2 mit sich bringt.
Viele Grüße Anja
Hallo Anja,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Rapsöl habe ich mit Absicht nicht erwähnt, da ich persönlich kein großer Fan davon bin. Die Pflanze musste schon ziemlich verändert werden, damit wir Menschen überhaupt das Öl essen konnten (Erucasäure und bittere Glucosinolate) und die meisten Rapsöle sind auch raffiniert/desodoriert – also meiner Meinung nach gibt es da bessere Alternativen an seine Omega-3-Fettsäuren heranzukommen.
Viele Grüße,
Denise