Wasser ist der wichtigste Nährstoff für Mensch und Tier.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist nicht nur für die Nierengesundheit unerlässlich, sondern auch für viele Körperfunktionen, wie zum Beispiel die Verdauung, das Gehirn und Nervensystem, der Kreislauf, die Regulierung der Körpertemperatur und die Muskelkontraktion. Was vielen nicht bewusst ist: es ist ebenfalls sehr wichtig für eine gesunde und vielfältige Darmmikrobiota und somit auch für ein stabiles Immunsystem. Im ersten Moment könnte man jetzt vermuten, dass die Mineralstoffe im Wasser ausschlaggebend sind, aber wie neueste Studien jetzt ergaben, spielt eventuell auch der pH-Wert unseres Trinkwassers eine Rolle, wenn es um die Besiedlung unseres Darms geht.
Unser Darm und seine Mikrobiota
Das Thema Verdauung ist ein unheimlich interessantes, aber auch komplexes Thema, weshalb ich versuchen werde es etwas zu vereinfachen. Unser Verdauungstrakt ist eigentlich ein langer Schlauch, der in unterschiedliche „Räume“ eingeteilt ist. Mund, Magen, Dünndarm, Dickdarm – das sind alles „Räume“ in denen etwas andere Bedingungen herrschen, damit wir aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln den größtmöglichen Nutzen ziehen können.
Beim Zerkleinern der Lebensmittel sind neben körpereigenen Enzymen auch unsere Mitbewohner – die Mikroorganismen – beteiligt. In unseren Körpern befinden sich viel mehr Mikroorganismen (um den Faktor 10) als Körperzellen. Anders formuliert könnte man sagen, dass wir zu ca. 90% aus Mikroben und nur zu 10% aus menschlichen Zellen bestehen. Eigentlich sind wir somit mehr Mikrobe als Mensch!
Im Mund befinden sich ebenfalls bereits Bakterien und diese helfen unter anderem bei der Verdauung von Kohlenhydraten. Im Magen, wo ein sehr saures Milieu herrscht, sind kaum Bakterien anzutreffen. Hier werden hauptsächlich Proteine (Eiweiße) zerkleinert. Je weiter wir unseren Verdauungstrakt Richtung After (Ausgang) entlang „wandern“, desto basischer wird das Milieu und desto mehr Bakterien besetzen die Schleimhäute. Im Dickdarm sind die meisten Bakterien bzw. Mikroorganismen anzutreffen und diese stehen auch im Fokus der meisten Studien, wenn es um „Darmgesundheit“ geht.
Mehr dazu hier: Unsere Verdauung – ein kleines Labor.
Welche Aufgaben hat die Mikrobiota des Darms?
Die Mikroorganismen des Darms verarbeiten Nährstoffe, schützen vor Krankheitserregern, beeinflussen das Immunsystem und können den Körper über Verbindungen zum Hirn auf viele Arten beeinflussen.
Auch auf unsere Darmbewegungen haben die Mikroorganismen Einfluss und helfen somit den Transport des Nahrungsbreis (Darmpassage) voranzutreiben. Weiterhin sind sie bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen beteiligt und produzieren für den Körper essenzielle Nährstoffe wie beispielsweise die Vitamine B1, B2, B5, B6, Folat, Vitamin B12 und Vitamin K2. Somit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Versorgung unseres Körpers.1
Die Darmbewohner versorgen uns mit wichtigen Nährstoffen wie z.B. Vitaminen
Es ist aber nicht nur wichtig, dass unsere Darmmitbewohner glücklich sind, sondern auch der Zustand unserer Darmschleimhaut wirkt sich auf unser Immunsystem aus.
Während die meisten Schleimhäute (z.B. Atemwege, Auge, Ohr, Blase, Scheide) vorwiegend eine Schutzfunktion gegen schädliche Einflüsse von außen haben, muss die Darmschleimhaut gleichzeitig in der Lage sein lebensnotwendige Nährstoffe aufzunehmen.
Die Darmschleimhaut spielt eine wichtige Rolle in der Immunabwehr
Dabei kann man sich die Darmschleimhaut wie ein Sieb vorstellen. Kleine Teilchen werden durchgelassen, größere bleiben hängen – abhängig von der Maschengröße. Bei einer gesunden Darmschleimhaut ist die Durchlässigkeit so gering, dass nur vollständig verdaute Nahrungssubstanzen über die Darmschleimhaut ins Blut bzw. Darmlymphsystem gelangen.
Die Mikrobiota bzw. die Bakterien im Darm haben einen starken Einfluss auf die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut. Eine Störung der Bakterienzusammensetzung führt zu einer erhöhten Durchlässigkeit, wodurch die Fähigkeit Schadstoffe aus dem Blut bzw. Lymphsystem zu halten schlechter wird. Dies belastet, bzw. im schlimmsten Fall sogar überfordert, wiederum das lymphatische Abwehrsystem. Genau dieser Punkt spielt bei vielen Darmerkrankungen auch eine wichtige Rolle.
Die Mikrobiota ist ein integraler Teil des Immunsystems
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bakterien der Schleimhäute für die Leistungsfähigkeit des Abwehrsystems so wichtig sind, dass man sie als integralen Teil des Immunsystems betrachten kann.
Was hat Einfluss auf die Zusammensetzung unserer Darmmikrobiota?
Das Wohl unserer Darmbewohner ist wie beschrieben fest verknüpft mit unserer Gesundheit. Geht es unserer Darmmikrobiota gut, sind wir vor vielen Krankheiten geschützt.
Unsere Mitbewohner halten wir durch eine ballaststoffreiche Ernährung bei Laune. Mehr dazu hier, hier und hier.
Aber neben unserer Ernährung hat scheinbar auch unser Trinkwasser Einfluss auf das Wohlbefinden unserer Mitbewohner im Darm.
Antibiotika, Medikamente und auch Chlor im Trinkwasser können die Darmmikrobiota beeinflussen
Es ist bekannt, dass Antibiotika und verschiedene andere Medikamente die Zusammensetzung der Darmmikrobiota maßgeblich beeinflussen können. Aber auch die Chlorierung des Trinkwassers beispielsweise kann Auswirkungen haben. Die Chlorierung wurde zur Kontrolle der mikrobiellen Kontamination eingeführt und ist inzwischen das weltweit am häufigsten verwendete Desinfektionsmittel für Trinkwasser.2
Trinkwasser wird für alle Menschen als sicher eingestuft, egal welchen Alters (6 Monate bis ins hohe Alter). Allerdings ist auch immer die Frage was man untersucht. Studien, die die Trinkwasserqualität im Hinblick auf Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Darms untersuchen, kommen jetzt erst langsam zum Vorschein.
Ist Chlor im Wasser unbedenklich?
Es gibt viele Möglichkeiten Mikroorganismen aus Wasser zu entfernen, aber Chlor hat viele Vorteile (es ist vor allem billig), weshalb es sehr häufig in anderen Ländern eingesetzt wird. In Deutschland wird Chlor, wenn überhaupt, nur zeitweise eingesetzt (z.B. wenn an den Wasserleitungen gearbeitet wird oder ähnliches).
Chlor kann durch Kochen eliminiert werden
Durch Kochen kann Chlor aus dem Wasser herausgelöst werden, weshalb in verschiedenen Ländern das Abkochen von Wasser empfohlen wird. Besonders bei der Zubereitung von Säuglingsnahrung (bis zu 12 Monaten) sollte darauf geachtet werden.2
Nun könnte man sich fragen, ob Chlor eventuell wie ein mildes Antibiotikum wirkt, wenn es dauerhaft in kleinen Dosen konsumiert wird. Schließlich wird es dem Wasser zugefügt, um Bakterien zu eliminieren, warum sollte es im Darm also nicht die gleiche Wirkung haben?
Tierstudien geben zumindest Hinweise darauf, dass das Trinkwasser durchaus einen Effekt haben kann. Ob die Ergebnisse sich jedoch auf den Menschen übertragen lassen und in welchem Ausmaß die Auswirkungen sind, wird noch erforscht.2
Welche Auswirkungen hat das Trinkwasser auf die Darmmikrobiota?
Zu dieser Frage gibt es noch keine endgültige Antwort, da man mit der Forschung noch ganz am Anfang ist. Allerdings ist das ein wichtiges Thema, denn den wenigsten ist das bewusst.
Auch in der Forschung wurde da bisher kein großes Augenmerk drauf gelegt, weshalb in der überwiegenden Anzahl der Studien immer nur von „Wasser“ bzw. „H2O“ die Rede ist. Dass es aber durchaus einen Unterschied macht, ob Leitungswasser, in Flaschen abgefülltes Wasser oder anders aufbereitetes Wasser verwendet wurde, wird bisher nicht berücksichtigt.3;4
Auch bei Studien, welche die Bakterienzusammensetzung des Darms (Darmmikrobiom bzw. Darmmikrobiota) untersuchen wird dieser Faktor nicht einbezogen.5
Somit steht die Frage im Raum in wie fern man sich auf die Ergebnisse der Studien verlassen kann oder ob man eigentlich nochmal alle neu machen müsste.
Studie zu Diabetes Typ 1
Eine Studie an Mäusen zeigte, dass eine Änderung des Säuregehalts des Trinkwassers nicht nur die Darmmikrobiota, sondern auch das Vorhandensein von schützenden Immunzellen und das Auftreten von Diabetes Typ 1 dramatisch verändert.6
Dabei wurde der einen Gruppe Wasser mit einem pH-Wert von 7 (neutral) von Geburt an zu trinken gegeben, während die andere Gruppe Wasser mit einem pH-Wert (mit HCl eingestellt) von 3 (sauer) bekam.
Die Mäuse, die neutrales Wasser (pH 7) erhielten, erkrankten signifikant häufiger an Diabetes Typ 1, als die Mäuse, die von Geburt an saures Wasser (pH 3) zu trinken bekamen.
Die Darmmikrobiota in der Gruppe mit saurem Wasser war vielfältiger und reichhaltiger, was laut heutiger Studienlage ein Indikator für ein starkes Immunsystem ist und vor vielen Krankheiten schützt.6
Kann die Wasserqualität das Auftreten von Diabetes Typ 1 beeinflussen?
Mit anderen Worten: eventuell könnte man durch den pH-Wert des Wassers Einfluss auf die Darmmikrobiota und somit auch auf das Auftreten von Diabetes Typ 1, welches vererbt wird, nehmen.
In diesem Fall war eindeutig das saure Wasser vorteilhafter.
Eine andere Studie hat jedoch genau das Gegenteil herausgefunden. In dieser Studie wurde der pH-Wert des Trinkwassers von sauer (pH 3) auf neutral (pH 7) erhöht. Die Forscher fanden eine Reduktion von Diabetes Typ 1.7
Als Erklärung für die widersprüchlichen Ergebnisse in Bezug auf die Diabetesinzidenz wurden Unterschiede in der Baseline-Darmmikrobiota zusammen mit anderen Umweltbedingungen vorgeschlagen.6;7
Interessant fand ich, dass beide Studien erhebliche Unterschiede in der Darmmikrobiota von Mäusen zeigten, die saures bzw. neutrales Wasser zu trinken bekamen, was zeigt, dass der pH-Wert des Trinkwassers einen tiefgreifenden Einfluss auf die mikrobielle Gemeinschaft des Darms haben kann. Wie gesagt, hier ging es um Mäuse. Ob das auch auf den Menschen übertragbar ist, muss man untersuchen.
kleine Studie mit Menschen
Eine dänische Studie, die an 29 gesunden Männern durchgeführt wurde, wollte wissen, ob der pH-Wert des Trinkwassers einen kurzzeitigen Einfluss auf die Darmmikrobiota und die Blutzuckerregulation im Körper hat (Stichwort Diabetes Typ 2). Die eine Gruppe bekam täglich 2 Liter alkalisches Wasser mit einem pH-Wert von 9 zu trinken, während die Vergleichsgruppe 2 Liter neutrales Wasser (pH 7) bekam.8
Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es keinen signifikanten Unterschied in der Zusammensetzung der Darmmikrobiota, der Zuckerregulation und auch keine niedrigeren Entzündungswerte gab.8
Nun ist die Stichprobe von 29 nicht sehr groß und auch der Umstand, dass keine Frauen mit einbezogen wurden zeigt ganz eindeutig: hier muss weiter untersucht werden!! Die Forscher räumten auch durchaus ein, dass die Ergebnisse eventuell anders ausfallen würde, wenn man Teilnehmer mit gewissen Vorerkrankungen gewählt hätte.
Weiterhin wäre die Frage: wie wären die Ergebnisse ausgefallen, wenn sie saures Trinkwasser verwendet hätten?
Fazit
Gerne würde ich hier eine Empfehlung geben können, ob man besser saures, alkalisches oder neutrales Wasser trinken sollte, aber das kann ich nicht. Die Studienlage gibt das noch nicht her. Fakt ist jedoch, es macht einen Unterschied – auch, wenn dies bisher den wenigsten bewusst ist.
Daher ist meine Empfehlung: trinke Wasser welches dir schmeckt. Probiere verschiedene aus – es gibt soooo viele auf dem Markt. Trau dich eine kleine Verkostung zu machen – ähnlich wie eine Weinprobe. Du wirst merken, es gibt wirklich große Unterschiede!
Probiere auch mal Wasser, welches anders aufbereitet wurde aus. Es gibt zum Beispiel verschiedene Filteranlagen oder andere Geräte, die das Wasser behandeln. Die Firma GRANDER beispielsweise bietet Wasserbelebungsgeräte für zu Hause an. Über meine persönlichen Erfahrungen mit Grander kannst du HIER und HIER lesen.
Nur wenn du ein Wasser findest, welches DIR schmeckt, wirst du gerne Wasser trinken. Dann hast du sicherlich auch keine Schwierigkeiten mehr auf deine tägliche Trinkwassermenge zu kommen!
Trinkst du gerne pures Wasser? Oder mischst du lieber „Geschmack“ mit dazu?
Quellen
1LeBlanc, J. G., Milani, C., De Giori, G. S., Sesma, F., Van Sinderen, D., & Ventura, M. (2013). Bacteria as vitamin suppliers to their host: a gut microbiota perspective. Current opinion in biotechnology, 24(2), 160-168.
2Martino, D. (2019). The effects of chlorinated drinking water on the assembly of the intestinal microbiome. Challenges, 10(1), 10.
3Barnett, J. A., & Gibson, D. L. (2019). H2Oh No! The importance of reporting your water source in your in vivo microbiome studies. Gut Microbes, 10(3), 261-269.
4Dias, M. F., Reis, M. P., Acurcio, L. B., Carmo, A. O., Diamantino, C. F., Motta, A. M., … & Nascimento, A. M. (2018). Changes in mouse gut bacterial community in response to different types of drinking water. Water research, 132, 79-89.
5Zhou, K., Liu, W., Chen, Z., Yang, D., Qiu, Z., Feng, H., … & Shen, Z. (2021). The effect of different drinking water in culture medium on feces microbiota diversity. Journal of Water and Health, 19(2), 267-277.
6Wolf, K. J., Daft, J. G., Tanner, S. M., Hartmann, R., Khafipour, E., & Lorenz, R. G. (2014). Consumption of acidic water alters the gut microbiome and decreases the risk of diabetes in NOD mice. Journal of Histochemistry & Cytochemistry, 62(4), 237-250.
7Sofi, M. H. et al. pH of drinking water influences the composition of gut microbiome and type 1 diabetes incidence. Diabetes 63, 632–644.
8Hansen, T. H., Thomassen, M. T., Madsen, M. L., Kern, T., Bak, E. G., Kashani, A., Allin, K. H., Hansen, T., &Pedersen, O. (2018). The effect of drinking water pH on the human gut microbiota and glucose regulation:results of a randomized controlled cross-over intervention. Scientific Reports, 8, [16626].