Weshalb ist Wasser so wichtig für uns Menschen? Ohne Wasser kommen wir nur ca. 3 Tage aus, ohne Nahrung jedoch mehrere Wochen1 – vorausgesetzt wir haben genug Wasser zur Verfügung (praktizieren viele z.B. beim Fasten). Ist die Zufuhr von Wasser somit wichtiger als die Zufuhr von Nahrung? Wofür braucht unser Körper das Wasser? Wie viel Wasser ist nötig für ein gesundes Leben?
Der Rohstoff des Lebens
Das Leben entstammt dem Wasser, um genau zu sein dem Salzwasser – hier bildeten sich die ersten kleinen Organismen. Aus diesen primitiven Lebensformen (Einzeller) entwickelte sich nach und nach eine riesige Artenvielfalt, die anfangs ausschließlich an das Wasser gebunden war. Als die Tiere landgängig wurden, war eine der wichtigsten Anpassungen der Schutz gegen Austrocknung. Ganz „losgekommen“ sind sie vom Wasser jedoch nie. Noch heute sind Amphibien bei der Fortpflanzung abhängig von diesem Element.
Auch der Mensch kommt nicht ohne Wasser aus. Mit durchschnittlich 60% bis 70% des Körpergewichts eines Erwachsenen ist es DAS bestimmende Element in unserem Körper – in Säuglingen beträgt der Wasseranteil sogar ca. 75% 2. Alle lebenswichtigen Vorgänge auf zellulärer Ebene laufen in einer wässrigen Lösung ab. Nur mit einem ausgeglichenen Wasserhaushalt können die Organe und Gewebe in ihrem komplexen Zusammenspiel optimal agieren.
Aufgaben des Wassers6:
- Lösungsmittel für Salze und Mineralstoffe
- Transportmittel für Nährstoffe
- Transportmittel für Abbauprodukte
- Wärmeregulation des Körpers (Bsp.: Wärme, die durch metabolische Prozesse entsteht, kann abtransportiert werden)
- Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase
Was ist die zelluläre Homöostase? Vereinfacht gesagt, geht es hier um die Bedingungen (z.B. Ionenkonzentration, Temperatur, Nährstoffkonzentration) innerhalb und außerhalb der Zelle, die konstant bleiben sollen.
Übertragen wir das mal auf ein Unternehmen: stellt euch vor ihr arbeitet in einem großen Autounternehmen und sollt die Autos zusammen schrauben. Der Ablauf ist genau vorgegeben und die Chefs sind zufrieden.
Nun wird es Winter, ein Schneesturm fegt übers Land. Die Heizung des Unternehmens fällt aus und ihr müsst bei sehr niedrigen Temperaturen arbeiten. Die Arbeit geht nur schleppend voran, da euch das Werkzeug vor lauter Kälte ständig aus der Hand fällt. Da die LKWs mit den Bauteilen fürs Auto nicht oder nur vereinzelt durch das Schneechaos kommen, fehlen einzelne Autoteile, wie beispielsweise Schrauben, Muttern oder auch die Bremsscheiben. Die Autoproduktion gerät ins Stocken.
Zusammenfassend kann man sagen: ihr sollt eure Arbeit weiter fortsetzen, obwohl die Bedingungen sich verändert haben. Aber wie soll man ein Auto fertig stellen ohne Bremsscheiben? Und Schrauben kommen auch nicht nur aus Spaß an den einzelnen Stellen zum Einsatz.
Natürlich ist das Ganze nicht sonderlich von Erfolg gekrönt, weshalb ihr (und natürlich auch das Unternehmen) das Bestreben habt so schnell wie möglich die alten Bedingungen wiederherzustellen.
So ähnlich ist das bei einer Zelle auch – wenn eine kleine Störung aufgetreten ist, hat sie bzw. der Körper das Bestreben zu den Ausgangsbedingungen so schnell wie möglich zurückzukehren.
Wie hält der Körper die „Arbeitsbedingungen der Zelle“ konstant?
Das Wasser in unserem Körper liegt natürlich nicht als reines Wasser vor. Die Flüssigkeiten in unserem Körper enthalten immer gelöste Stoffe in präzise kontrollierten Konzentrationen. Zu den gelösten Stoffen im Extrazellulärraum gehören vor allem Natriumchlorid (bekannt als „Salz“), Bicarbonat (HCO3) und in niedrigeren Konzentrationen Kalzium, Kalium, Magnesium und auch Abbauprodukte aus dem Stoffwechsel, die eliminiert werden sollen1. Die Konzentration dieser gelösten Stoffe, auch Osmolalität genannt, ist unheimlich wichtig, weshalb diese streng kontrolliert werden.
Mit dem Wasserhaushalt kann die Konzentration der gelösten Stoffe beeinflusst werden – und somit auch die Bedingungen in der die Zelle arbeiten muss.
Wie reguliert der Körper den Wasserhaushalt?
Mit Hilfe der Nieren kann auf den Zustand des Wasserhaushaltes reagiert werden. Ändert sich die Osmolalität des Blutes (Konzentration von gelösten Stoffen) zum Beispiel durch Nahrungsaufnahme, oder Schwitzen, werden Hormone ausgeschüttet, die der Niere signalisieren entweder mehr Wasser abzugeben oder mehr Wasser einzubehalten. Wie schon erwähnt ist der Urin aber nicht nur für den Wasserhaushalt sehr wichtig, sondern auch zum Eliminieren von Abfallstoffen oder giftigen Substanzen.
Die tägliche Urinmenge wird zwischen 1200 ml und 2000 ml angegeben, wobei diese sehr starken Schwankungen unterliegen kann. Faktoren wie Schwitzen, die Menge der zugeführten Flüssigkeit, Körpergewicht und ähnliches beeinflussen die Urinmenge1.
Durstgefühl – können wir uns darauf verlassen?
Wassergehalt von ausgewählten Nahrungsmitteln7
Da Wasser so wichtig für uns ist, versucht der Körper durch das Signal des Durstes eine Austrocknung zu verhindern. Das Durstgefühl setzt bei einem Flüssigkeitsverlust von ca. 1% bis 2% des Körpergewichts ein1. Bei dieser Menge können auch schon körperliche Defizite einsetzen wie geringere Leistungsfähigkeit, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, etc. Manchmal spielt der Wasserhaushalt auch bei Verstopfungen eine Rolle.
Als gesunder Erwachsener kann man sich eigentlich auf sein Durstgefühl verlassen – ausgenommen sind hierbei jedoch Leistungssportler, Soldaten in warmen Gebieten, kranke oder ältere Menschen und auch Säuglinge3. Jedoch wird dieser Punkt stark diskutiert, da das Trinkverhalten der Menschen nicht nur vom Durstgefühl gelenkt wird. Auch soziale und psychologische Gründe spielen beim Trinkverhalten eine nicht unwesentliche Rolle. Ihr kennt es sicherlich selber: wenn man gerade viel zu tun hat, wird das Trinken gerne mal vernachlässigt. Dies kann sich am Abend durch Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme oder ähnliche Symptome rächen. Manches Mal wird auch über den Durst getrunken: man ist zu Freunden eingeladen, will nur ein Glas Wein trinken und am Ende des Abends ist die Flasche doch leer. Ooops! Ein weiteres Beispiel sind auch extrem süße Getränke wie Limonaden oder Säfte. Diese verleiten einen gerne mal dazu mehr zu trinken.
Wir trinken also nicht nur, wenn wir Durst haben. Von daher ist dies ein schwieriger Punkt.
Zu viel Flüssigkeit ist auch nicht gut, da die Nieren dann nicht mehr hinterher kommen. Dies kann eine Hyponatriämie zur Folge haben. Dabei ist die zugeführte Flüssigkeitsmenge und die Menge an Salzen im Körper aus dem Gleichgewicht – also zu wenig Natrium. Die zelluläre Homöostase wurde extrem verändert. Dies passiert häufiger als man denkt bei z.B. ungeübten Marathonläufern oder Triathleten, wenn sie während des Wettkampfes über den Durst trinken und im Endeffekt zu viel Wasser zu sich nehmen. Im schlimmsten Fall kann dies der Tod bedeuten.
Warum muss Wasser ständig zugeführt werden?
Über die Lunge, Haut, Urin und Kot verliert ein Erwachsener täglich Wasser. Auch wenn man meint nicht zu schwitzen werden über die Haut täglich ca. 450 ml Flüssigkeit abgegeben4. Dieser ständige Verlust muss irgendwie ausgeglichen werden. Ein Teil (ca. 20%) steckt bereits in unserer Nahrung wie z.B. Obst oder Gemüse, der Rest muss tatsächlich getrunken werden2.
Wie viel Wasser tatsächlich verloren wird, ist unter anderem abhängig von der Umgebungstemperatur, der Nahrungszusammensetzung, ob man Sport treibt oder nicht und auch welche Klamotten man trägt4.
Wie viel Wasser ist nötig?
Wann unser Wasserhaushalt optimal ist, das ist die große Frage! Bisher gibt es nämlich hauptsächlich HINweise (keine BEweise) nach denen man sich richten kann. Jedoch ist noch kein Faktor bekannt, der alleine betrachtet eine verlässliche allgemeingültige Aussage über der Wasserhaushalt geben kann5. Der Arzt kann mir also nicht anhand eines Wertes sagen, ob mein Wasserhaushalt in Ordnung ist – da müssen immer mehrere Faktoren mit einbezogen werden.
Die täglich benötigte Menge Wasser variiert sehr von Person zu Person. Faktoren wie Größe, Gewicht, Umgebungstemperatur und Aktivität haben einen Einfluss, sowie die Nahrungszusammensetzung und das Alter. Sogar interkulturelle Unterschiede gibt es. Wie man also sieht: Der Wasserhaushalt ist ein sehr komplexes System, weshalb eine allgemeingültige Aussage sehr schwierig ist.
Empfehlungen zur täglichen Wasserzufuhr für Mann und Frau laut EFSA4
Die EFSA (European Food Safety Authority) spricht deshalb nur Empfehlungen für eine ausreichende Zufuhr („adequate intake“) aus, die aufgrund von experimentellen Beobachtungen oder Schätzungen in einer definierten Gruppe gemacht wurden. Da diese Werte sich nicht oder schlecht auf das tatsächliche Bedürfnis eines Individuums übertragen lassen, ist dieser Wert sehr ungenau. Nichtsdestotrotz wird die Gefahr einer Unterversorgung als sehr gering eingestuft, wenn man sich als gesunde Person an diese Angaben hält oder auch etwas mehr zu sich nimmt8. Die hier empfohlenen Flüssigkeitsmengen gelten für gesunde Menschen, die in Gegenden mit moderaten Temperaturen leben und keinen übermäßigen sportlichen Aktivitäten nachgehen.
Erwachsenen Frauen (ab 14 Jahren) wird empfohlen 2 Liter und Männern 2,5 Liter täglich zu sich zu nehmen. Dabei sind alle Getränke (außer alkoholischen) und auch Nahrungsmittel gemeint4. Zum Beispiel: ein Apfel enthält ca. 80% bis 90% Wasser – bei einem Apfel á 200g sind das 180g Wasser, also ca. 180 ml.
Bei sportlicher Betätigung oder sehr warmem Klima muss etwas mehr getrunken werden. Hier kann der Wasserverlust in Extremfällen sogar 8 Liter täglich betragen. In diesem Fall sollte auch darauf geachtet werden, dass man Elektrolyte mit führt.
Für Schwangere wird dieselbe Menge wie für Frauen (2 L) plus ca. 300 ml täglich empfohlen4.
Für ältere Menschen wird dieselbe Menge Wasser empfohlen, da sich mit dem Alter einige Faktoren verändern4. So sinkt zwar der Energiebedarf, weshalb man meinen könnte, dass man auch nicht mehr so viel trinken müsste, aber die Arbeit der Nieren lässt nach. Dadurch wird der Urin weniger konzentriert und der Wasserverlust steigt4. Erschwerend kommen bei älteren Menschen häufig noch Medikamente hinzu, die den Wasserverlust verstärken (z.B. Diuretika bei Bluthochdrucktherapie). Auch das Durstgefühl ist meist beeinflusst bzw. verzögert.
Fazit
Wasser ist überlebenswichtig!! Ohne Wasser können wir nicht leben.
Die große Frage bleibt weiterhin: wie viel Wasser brauchen wir? Die Werte der EFSA sollten wirklich nur als Richtwerte gesehen werden. Individuelle Anpassungen sind unumgänglich.
Wie so häufig: höre auf die Signale deines Körpers! Hast du häufiger Kopfschmerzen oder Kreislaufprobleme? Dann versuche mal langsam deine tägliche Wasseraufnahme zu steigern. Auch bei Verstopfungen kann eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr unterstützend helfen. Vielleicht hilft es ja auch bei dir!
Quellen
1Benelam, B. and Wyness, L. (2010), Hydration and health: a review. Nutrition Bulletin, 35: 3–25. doi: 10.1111/j.1467-3010.2009.01795.x
2Popkin B.M., D’Anci K.E., Rosenberg I.H. Water, hydration, and health. Nutrition Reviews 2010;68:439–458. doi: 10.1111/j.1753-4887.2010.00304.x.
3Millard-Stafford M., Wendland D.M., O’Dea N.K., Norman T.L. Thirst and hydration status in everyday life. Nutrition Reviews 2012;70:S147–S151. doi: 10.1111/j.1753-4887.2012.00527.x.
4EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition, and Allergies (NDA); Scientific Opinion on Dietary reference values for water. EFSA Journal 2010; 8(3):1459. [48 pp.]. doi:10.2903/j.efsa.2010.1459
5Armstrong L.E., Johnson E.C., McKenzie A.L., Muñoz C.X. An empirical method to determine inadequacy of dietary water. Nutrition 2016; 32: 79-82. doi: 10.1016/j.nut.2015.07.013
6Buyckx M.. Hydration and Health Promotion: A Brief Introduction. Journal of the American College of Nutrition 2007 (Supplement 5), S. 533S-534S. doi:10.1080/07315724.2007.10719654
7Campbell SM. Hydration needs throughout the lifespan. Journal of the American College of Nutrition 2007;26(5 Suppl):585S–587S
8Institute of Medicine (US) Standing Committee on the Scientific Evaluation of Dietary Reference Intakes. Dietary Reference Intakes for Calcium, Phosphorus, Magnesium, Vitamin D, and Fluoride. Washington (DC): National Academies Press (US); 1997. 9, Uses of Dietary Reference Intakes.