Wir wissen inzwischen was die Darmmikrobiota ist, welche Rolle sie in unserem Ökosystem Mensch spielt und warum es wichtig ist diese kleinen Mitbewohner bei Laune zu halten.
In diesem Beitrag zeige ich euch wie die Wahl der Nahrung über Tod oder Leben verschiedener Bakterien entscheiden kann. Auch geht es um die Frage, ob unsere kleinen Mitbewohner eventuell mitbestimmen ob wir übergewichtig sind oder nicht.
Dinner for 2 bzw. 1 Billarde und 1
Mit der Wahl unserer Nahrung können wir MIT-beeinflussen welche Bakterien bei uns im Darm überleben und welche nicht. Manche Bakterien lieben zum Beispiel die Ballaststoffe aus dem Apfel. Essen wir viele Äpfel, geben wir genau diesen Bakterien Nahrung. Mit der Nahrung erhalten diese Bakterien auch mehr Energie und was ist im Leben eines Bakteriums noch wichtig neben Essen?
Unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ müssen Bakterien sich vermehren. Nur so können sie ihr Überleben sichern und sich einen festen Platz in unserem Darm erkämpfen.
Allerdings „töten“ wir durch den Verzehr von vielen Äpfeln andere Bakterien, die beispielsweise lieber Lauch mögen. Die Lauch-liebenden Bakterien sind seehr hungrig und haben dann zwei Möglichkeiten: entweder sie finden einen Weg ebenfalls Äpfel (oder etwas anderes, was dort unten im Darm herum schwirrt) als Nahrungsquelle zu nutzen oder sie geben sich geschlagen und verschwinden aus unserem Darm. Denn Hunger im Dauerzustand zu haben hält keiner lange aus – das kennen wir alle nur allzu gut.
Ernähre dich abwechslungsreich!
Damit sich viele verschiedene Bakterien bei uns wohl fühlen ist eine abwechslungsreiche Nahrung wichtig. Wir wollen nicht nur Schmidt und Meyer als Mitbewohner, sondern auch alle anderen freundlichen Familien sind herzlich willkommen! :)
Je größer die Bakterienvielfalt desto stabiler und abwehrfähiger ist unsere Darmmikrobiota.
Vielfalt bedeutet Stabilität
Der Darm kann quasi als eigenes Ökosystem betrachtet werden. Wie auch in anderen Ökosystemen gibt es zwischen den Bewohnern gewisse Abhängigkeiten.
Schauen wir uns beispielsweise das Ökosystem Wald an. Der Wald funktioniert nur solange Bäume und niedere Pflanzen wachsen, aber auch keimen und sterben. Die toten Pflanzenteile werden dann wiederum von verschiedenen Waldbewohnern (z.B. Pilze, Würmer, Insekten) zu Erde verarbeitet. Andere Insekten, Vögel oder Säugetiere verteilen die Samen der Pflanzen. Das ist der Kreislauf des Lebens – wie im Film „Der König der Löwen“ so schön festgestellt wurde. Jeder Waldbewohner hat seine „Aufgabe“. Fällt eine Art weg oder kann sie nicht mehr mit voller Kraft arbeiten, weil sie keine Energie hat, kann das große Folgen haben.
So ist es auch bei unserer Darmmikrobiota. Jede Bakterienart hat ihre Aufgaben. Wegen der beschriebenen Abhängigkeiten, die in einem Ökosystem herrschen bedeutet der Tod einer Art meistens auch den Tod für viele weitere Arten. Deshalb ist eine abwechslungsreiche und ballaststoffreiche Ernährung so wichtig, damit keiner unserer Mitbewohner verhungern muss!
Auf dem Bild sind ein paar Beispiele für Lebensmittel, die auch Nahrung für deine Bakterien enthalten. Denkt aber immer daran: je verarbeiteter diese verzehrt werden, desto weniger Nährstoffe haben sie meistens (mehr dazu hier).
Nahrungsmittel, die mit Bakterien angereichert sind wie Joghurt, Kefir oder Sauerkraut können ebenfalls zur Vielfalt beitragen. Allerdings bleiben diese Bakterien natürlich nur, wenn sie auch ernährt werden!
Neben der Nahrungszusammensetzung gibt es aber auch andere Faktoren, die die Bestückung unserer Darmmikrobiota beeinflussen wie beispielsweise der genetische Hintergrund, unsere Umwelt, unsere Lebensumstände (z.B. Rauchen) und auch die Einnahme von Antibiotika.
Antibiotika verändern das Gleichgewicht in unserem Darm
Ein weiterer Faktor, der die Diversität (= Vielfalt) unserer Darmmikrobiota begrenzt, ist nicht nur die „direkte“ Antibiotika Einnahme bei Krankheit, sondern auch die „indirekte“ Aufnahme durch den Verzehr von Masttieren. Schweine, Kühe und Geflügel die zum Verzehr (konventionell) gezüchtet werden, bekommen regelmäßig Antibiotika in niedrigen Dosen damit sie schneller und mehr Gewicht zulegen1. Da wir dieses Fleisch verzehren, hat dies auch auf die Bakterienzusammensetzung in unserem Darm Einfluss.
Die eingesetzten Antibiotika-Mengen sind so gering, dass nach dem Fleischverzehr im menschlichen Blut keine nennenswerten Dosen nachzuweisen sind. Allerdings wirken diese Antibiotika sich sehr wohl auf die Darmmikrobiota aus2. Welche Konsequenzen dies genau hat bedarf noch weiterer Untersuchungen.
Ich möchte eines zu bedenken geben: wenn wir unseren Tieren Antibiotika in niedrigen Dosen geben damit sie schneller an Gewicht zulegen, könnte es nicht sein, dass unsere Körper ähnlich reagieren? Die Wissenschaft ist sich in diesem Punkt noch nicht einig und es sind noch viele weitere Untersuchungen nötig um hier wirklich eine Aussage machen zu können. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Kinder, denen schon früh Antibiotika verabreicht werden einen Hang zu Übergewicht haben3.
Von dick zu dünn mit (zu wenig) Bakterien?
Bisher wird Übergewicht meist auf kalorienreiche Ernährung und zu wenig Bewegung zurückgeführt. Doch was ist, wenn die Bakterien auch ein Wörtchen mit zu reden haben und es deshalb vielen Menschen so unheimlich schwer fällt abzunehmen?
Die Forschung ist zwar noch ganz am Anfang in diesem Bereich, aber es wurde festgestellt, dass sich die Darmmikrobiota von Übergewichtigen von der von schlanken Menschen unterscheidet1.
Das Verhältnis der Bakterienpopulationen ist anders und die Darmmikrobiota der Übergewichtigen wies eine geringere Bakterienvielfalt auf1. Allerdings weiß man bisher noch nicht was zuerst da war: die veränderte Bakterienpopulation oder das Übergewicht? Auch sind die daraus resultierenden Auswirkungen noch wenig erforscht.
Die nächste Frage, die sich unweigerlich stellt ist, ob durch eine „einfache“ Ernährungsumstellung die Zusammensetzung der Bakterien im Darm nachhaltig verändert werden können.
Was allerdings auch hier wieder deutlich wird: Bakterienvielfalt in unserem Darm hält uns gesund!
Mit einer abwechslungsreichen und vielfältigen Ernährung geben wir vielen verschiedenen Bakterien die Chance eine Wohnung in uns zu ergattern. Dies wiederum hat den Vorteil, dass unsere Mikrobiota sich bei einer Störung (z.B. durch Krankheit oder Antibiotika) besser und schneller anpassen bzw. regenerieren kann1.
Ein Tisch auf drei Beinen steht wackeliger als ein Tisch mit 6 Beinen. :)
Jede Darmmikrobiota ist einzigartig
Als Fötus im Uterus sind wir (nahezu) steril eingepackt, aber sobald wir das Licht der Welt erblicken, machen es sich Bakterien auf und in uns gemütlich.
Anfangs besteht die Nahrung nur aus Muttermilch, die nicht nur den Säugling, sondern auch die Darmmikrobiota ernähren soll. Die drittgrößte Gruppe in der Muttermilch besteht aus bestimmten Kohlenhydratverbindungen mit dem Namen „human milk oligosaccharides“( = HMO). Diese Verbindungen sind für das Baby unverdaulich und dienen hauptsächlich der Ernährung der Darmmikrobiota.
Die drittgrößte Fraktion in der Muttermilch dient NUR der Ernährung der Darmbakterien – nicht der Ernährung des Säuglings!
Sie sind ein wichtiger Faktor für die Entwicklung und Ausbildung eines gesunden Darms. Bestimmte Bakteriengruppen sollen „überredet“ werden zu bleiben, damit diese die pathogenen Bakterien bekämpfen können, sobald sie auftreten4.
So wird das Kind vor Durchfall und Atemwegsinfekten geschützt4.
Die Zusammensetzung der Muttermilch ist sehr komplex und auch genau auf die Bedürfnisse des Kindes in der jeweiligen Entwicklungsphase abgestimmt. Das heißt, die Zusammensetzung der Milch ändert sich stets – die Natur ist schon toll!
Während der ersten Lebensjahre ist die Darmmikrobiota sehr dynamisch und ändert die Zusammensetzung unter dem Einfluss verschiedener Faktoren wie das Zufüttern von fester Nahrung, der genetischen Voraussetzung, eventuelle Antibiotika-Gaben und auch dem Umfeld. Ab ca. dem 3. Lebensjahr ist die Darmmikrobiota etwas stabiler3.
Im erwachsenen Alter hat sich die Darmmikrobiota weitestgehend gefestigt, da sich Gewohnheitsrituale eingeschlichen haben beruhend auf den Lebensumständen, den Vorlieben für bestimmte Nahrungsmittel und häufig ist auch die Neugier etwas Neues auszuprobieren nicht mehr ganz so groß1.
Allerdings ist auch hier nichts in Stein gemeißelt. Durch Nahrungsumstellung, Antibiotika-Einnahmen oder anderen Faktoren kann sich auch im erwachsenen Alter die Zusammensetzung verändern.
Jeder Mensch entwickelt sein eigenes Mikrobiom welches, ähnlich wie sein eigener Fingerabdruck, einzigartig ist.
Genauso wie jeder Mensch, ist jede Darmmikrobiota einzigartig!
Deshalb ist es die Erforschung des Mikrobioms auch so schwierig, da die Zusammensetzung der Bakterienarten von Person zu Person sehr unterschiedlich ist. Es gibt zwar ein „Kernmikrobiom“ oder „Basismikrobiom“, das meist ähnlich zusammengesetzt ist, aber schaut man genauer hin, gibt es in den kleinen Feinheiten große Unterschiede.
Fazit
Die tägliche Wahl unserer Nahrung beeinflusst unsere Darmmikrobiota und somit auch ihre Stabilität. Forscher sind noch ganz am Anfang bei der Klärung der Frage, welche Rolle unsere kleinen Mitbewohner im Zusammenhang mit Übergewicht und anderen Volkskrankheiten spielen.
Es bleibt also weiterhin spannend!
Eine Sache wird jedoch auch hier wieder deutlich: jeder Mensch ist einzigartig und jede Darmmikrobiota ist einzigartig. Von daher ist es meiner Meinung nach weiterhin wichtig auf SEINEN Körper zu hören. Damit helfen wir diesem ungemein.
Mit einer abwechslungsreichen Ernährung, die auch „Leckerlis“ für unsere fleißigen Mitbewohner beinhaltet, können wir schon viel Gutes für uns tun.
Quellen
1Heiman ML, Greenway FL. A healthy gastrointestinal microbiome is dependent on dietary diversity. Molecular Metabolism 2016;5(5):317-320. doi:10.1016/j.molmet.2016.02.005.
2Cho, I., Yamanishi, S., Cox, L., Methé, B.A., Zavadil, J., Li, K., et al., Antibiotics in early life alter the murine colonic microbiome and adiposity. Nature 2012;488(7413):621-6. doi: 10.1038/nature11400.
3Gerard P. Gut microbiota and obesity. Cellular and Molecular Life Sciences 2016;73(1):147–162. doi: 10.1007/s00018-015-2061-5.
4Andreas NJ, Kampmann B, Mehring Le-Doare K. Human breast milk: A review on its composition and bioactivity. Early Human Development 2015;91(11):629–635. doi: 10.1016/j.earlhumdev.2015.08.013.
Hi,
danke für den tollen Artikel.
Sehr informativ und toll geschrieben.
LG
Vielen Dank für den lieben Kommentar! Freut mich sehr, dass der Artikel dir gefällt!
Viele Grüße,
Denise