Bestimmte Lebensmittel sollen „vor freien Radikalen schützen“, „oxidativen Stress“ mindern oder „antioxidativ“ wirken.
Letzte Woche ging es beispielsweise um die Zitrone, bei der ich im Zusammenhang mit Vitamin C auf die antioxidative Wirkung hingewiesen habe. Auch auf vielen Nahrungsergänzungsmitteln sind ähnliche Aussagen zu lesen.
Was damit gemeint ist, was freie Radikale sind und was Antioxidantien damit zu tun haben, erfahrt ihr im nachfolgenden Text.
Was sind freie Radikale?
Freie Radikale sind Atome oder Moleküle, die ein freies, ungepaartes Elektron besitzen. Dadurch sind sie sehr reaktiv und reagieren mit allem was um sie herum ist.
Häufig wird dabei eine Kettenreaktion ausgelöst: das freie Radikal bindet an einen Reaktionspartner und wird dadurch oxidiert. Da dem Partner nun ebenfalls ein Elektron fehlt, geht dieser auf die Suche nach einem weiteren Partner und so weiter.
Trifft das freie Radikal auf ein „Antioxidans“, so wird die Kettenreaktion abgebrochen, das Radikal ist „gefangen“ und kann keine weiteren Schäden anrichten.
Antioxidantien „fangen“ freie Radikale, wodurch die Kettenreaktion abgebrochen wird.
Im Prinzip kann JEDES Atom/Molekül ein Radikal werden, im Körper jedoch sind die meisten Radikale Sauerstoffverbindungen.
Info:
Oxidieren ist nicht nur in Verbindung mit Sauerstoffmolekülen zu verstehen. Oxidationen sind chemische Reaktionen bei denen Elektronen abgegeben werden. Der Name kommt allein daher, dass diese Reaktionen das erste Mal mit Sauerstoff beobachtet wurden. Erst später konnte der Mechanismus der Reaktionen verallgemeinert werden, aber der Name blieb.
Wann entstehen freie Radikale?
Die Entstehung freie Radikale erfolgt zum einen im Körper selber. Sie sind ein ganz natürliches Stoffwechselprodukt, welches zum Beispiel bei der Zellatmung anfällt oder auch bei der Abwehr. Die Bildung kann weder verhindert werden, noch ist sie krankhaft.
Sie können jedoch auch aufgrund von äußeren Einwirkungen entstehen wie z.B.:
- Umweltschadstoffe
- Strahlungen (z.B. UV-Strahlung (Sonnenstrahlung), ionisierende Strahlungen)
- Tabakrauch
- Alkohol
- Medikamente
- Stress
- extreme körperliche Belastung (z.B. Leistungssport)
- unausgewogene Ernährung
- und vieles mehr…
Was ist das Problem mit den freien Radikalen, wenn der Körper sie doch selber produziert?
Der Affe (das freie Radikal) versucht dem Panda (der Zelle) ein Herz (Elektron) zu klauen. Die Krabbe (das Antioxidans) bietet dem Affen sein Herz (Elektron) an, damit der Panda (Zelle) seins behalten kann und gesund bleibt.
Hoch reaktiv sind freie Radikale und reagieren mit nahezu allem was um sie herum ist.
Je nachdem auf welchen Reaktionspartner die Radikale treffen, können dabei wichtige Zellstrukturen geschädigt werden. So können Proteine wie z.B. Enzyme geschädigt werden oder Fette (Lipide), wodurch die Zellmembran „löchrig“ werden kann. Ebenso kann die Erbsubstanz (DNS) betroffen sein, was zu Mutationen oder Krebs führen kann.
Zurzeit wird vermutet, dass freie Radikale beim Prozess des Alterns ebenfalls eine Rolle spielen. Wie genau und in welchem Umfang muss noch untersucht werden1. Allerdings richten sie nicht nur Schaden an, sondern sind übernehmen auch wichtige Aufgaben im Körper. Deshalb sollten sie nicht komplett verteufelt werden.
Freie Radikale haben auch positive Eigenschaften
Wie so häufig, gibt es zwei Seiten der Medaille. Ja, freie Radikale können Schäden anrichten, aber überlegt mal kurz, wo uns dies eventuell zu Gute kommen könnte? …
Beim Immunsystem!!! Das Immunsystem zerstört Krankheitserreger mit Hilfe von Radikalen. Dieser Vorgang wird „respiratorischer (oder oxidativer) Burst“ genannt.
Freie Radikale sind ebenfalls an Zell-Signalwegen beteiligt – sie sind wichtig um bestimmte Signale weiterzuleiten und spielen auch bei der Einleitung vom Zelltod (Apoptose) eine Rolle1. Die Apoptose ist quasi ein kontrollierter Selbstmord der Zelle, um zum Beispiel entartete Zellen zu eliminieren (um einen Tumor oder Krebs zu verhindern) oder aber auch zu verhindern, dass sich unkontrolliert Zellen bilden wo sie eventuell gar nicht gebraucht werden. Die Arbeit der Zellen wird ununterbrochen kontrolliert – Zellen haben nur einen Job auf Zeit und sind jederzeit kündbar.
Freie Radikale sind in Maßen nötig und nützlich.
In gewissem Maße brauchen wir somit freie Radikale um uns zu schützen.
Unser Körper überlässt ja nichts dem Zufall und so hat er auch hier wieder eine Möglichkeit die freien Radikale in Schach zu halten.
Schutzmechanismen des Körpers
Wie schon erwähnt, produziert der Körper freie Radikale im eigenen Stoffwechsel. Um zu verhindern, dass er von diesen überschwemmt wird, gibt es ein körpereigenes Schutzsystem.
Die wichtigsten Schutzmechanismen sind die Enzyme: Superoxid-Dismutase, Katalase und Peroxidase2. Sie „schnappen“ sich die Sauerstoffradikale und bauen sie zu harmlosen Produkten um.
Diese antioxidativ wirkenden Enzyme sind von den Spurenelementen4
abhängig, weshalb es unheimlich wichtig ist diese ausreichend über die Nahrung zuzuführen.
Was ist oxidativer Stress?
Bei gesunden Personen stehen oxidative und antioxidative Prozesse im Gleichgewicht. Werden jedoch verstärkt Radikale gebildet, d.h. die oxidativen Prozesse überwiegen, spricht man von „oxidativem Stress“. Dies kann zum Beispiel durch psychischen oder körperlichen Stress, unausgewogene Ernährung oder ähnliches entstehen.
Oxidativer Stress beschreibt somit ein Ungleichgewicht zwischen der Bildung von freien Radikalen und der Fähigkeit diese in harmlose Produkte umzuwandeln. Bleibt dieser Zustand für einen längeren Zeitraum bestehen, können mannigfaltige Krankheiten daraus resultieren, wie z.B. Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerose und auch Krebs3.
Antioxidantien über die Nahrung
Es gibt jedoch auch Schutzmechanismen, die wir aus der Pflanzenwelt erhalten. Diese werden zur Gruppe der Antioxidantien zusammengefasst oder mit einer „antioxidativen Wirkung“ beschrieben. Die wichtigsten sind4
- Vitamin C (Ascorbinsäure, beispielsweise aus der Zitrone)
- Vitamin E (alpha-Tocopherol, Antioxidans für alle Lipide)
- und Polyphenole (sekundäre Pflanzenstoffe) wie
– Carotinoide (wie das ß-Carotin oder auch Lykopin)
– Flavonoide
– und ähnliche (mehr zu sekundären Pflanzenstoffen HIER).
Diese werden über die Nahrung aufgenommen und können freie Radikale ebenso „neutralisieren“ wie die körpereigenen Enzyme.
Fazit
Freie Radikale sind ein ganz natürliches Phänomen und werden vom Körper gebraucht, Stichwort Immunsystem. Sie können aber auch Schäden anrichten, weshalb sich der Körper gegen zu viele Radikale schützt.
Gerät das ausgeklügelte Gleichgewicht aus den Fugen, können freie Radikale größeren Schaden anrichten und zu Krankheiten wie beispielsweise Krebs, Arteriosklerose, Durchblutungsstörungen und ähnlichem führen.
Durch die Zuführung von Antioxidatien über die Nahrung unterstützen wir den Körper dabei die Radikale im Zaum zu halten.
Beim nächsten Beitrag werde ich näher auf die Antioxidantien aus der Nahrung eingehen und warum hochdosiertes supplementiertes Vitamin C sich sogar kontraproduktiv auf sportliche Leistungen auswirkt! Seid gespannt!
Quellen
1Viña J, Borras C, Abdelaziz KM, Garcia-Valles R, Gomez-Cabrera MC. The Free Radical Theory of Aging Revisited: The Cell Signaling Disruption Theory of Aging. Antioxidants & Redox Signaling. 2013;19(8):779-787. doi:10.1089/ars.2012.5111.
2Werner Müller-Esterl: Biochemie. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler. Spektrum Akademischer Verlag, 2011
3Wu Q, Liu L, Miron A, Klímová B, Wan D, Kuča Kamil. The antioxidant, immunomodulatory, and anti-inflammatory activities of Spirulina: an overview. Archives of Toxicology. 2016; 90 (8):1817–1840. doi:10.1007/s00204-016-1744-5
4Dr.Med. Peter Konopka: Sporternährung. Grundlagen, Ernährungsstrategien, Leistungsförderung. BLV Buchverlag, 2012