Nachdem es letzte Woche um Kokosöl und seine gesättigten Fettsäuren ging, kam unweigerlich die Frage auf, ob gesättigte Fettsäuren nun gesund oder ungesund sind.
Dieses Thema wird schon lange kontrovers diskutiert. Zu einem eindeutigen Ergebnis ist die Wissenschaft noch nicht gekommen, wir als Verbraucher fragen uns da natürlich: was kann ich denn noch essen?! Sollte ich auf bestimmte Lebensmittel verzichten? Auf diese Fragen möchte ich heute eingehen.
Fett ist lebenswichtig
Das Fett in der Nahrung stellt für uns eine Quelle konzentrierter Energie dar. Neben Bausteinen für unsere Zellmembranen liefert Fett auch Baustoff für eine Serie von Hormonen und hormonähnlichen Substanzen. In der Nahrung enthaltenes Fett dient nicht nur als Geschmacksträger, sondern verlangsamt auch die Aufnahme von Nährstoffen und sorgt so für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl. Für die Aufnahme mancher Stoffe (z.B. fettlösliche Vitamine) ist Fett sogar unerlässlich.
Unser Körper braucht also Fett! Doch welches?
Was sind gesättigte Fettsäuren und wo kommen sie vor?
Chemisch gesehen lassen sich Fettsäuren in gesättigt und ungesättigt einteilen. Gesättigte Fettsäuren haben in ihrer Kohlenstoffkette keine Doppelbindung, während ungesättigte mindestens 1 Doppelbildung besitzen.
Gesättigtes Fett findet man eigentlich überall – die Frage ist immer nur: wie viel ist drin?!
Hauptsächlich ist es in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst, Eiern, Milchprodukten (Sahne, Käse, Butter, Joghurt, etc.) enthalten.
Aber auch in pflanzlichen Lebensmitteln wie Nüssen, Avocado oder Kokosnuss, ja, sogar in Mais, Bohnen und Früchten sind gesättigte Fettsäuren zu finden, allerdings in einer deutlich geringeren Menge. Eine Nahrung komplett ohne gesättigte Fettsäuren wird somit nahezu unmöglich sein.
Lebensmittel bestehen aus verschiedenen Fetten
Zunächst möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass kein natürliches Lebensmittel NUR aus Fett besteht. Auch besteht es nicht nur aus einer Fettsäure, sondern immer aus einer Mischung verschiedener. So wird Fleisch gerne als Beispiel für gesättigtes Fett genannt.
Dies ist nicht falsch: Fleisch besteht zu einem Großteil aus gesättigtem Fett, ABER auch unter den gesättigten Fettsäuren gibt es Unterschiede. Je nachdem was den Tieren gefüttert wurde, ist auch die Zusammensetzung des Fettes im Fleisch unterschiedlich. So hat man zum Beispiel festgestellt, dass das Fettsäureprofil des Fleisches von ausschließlich mit Gras gefütteren Rindern ein günstigeres Verhältnis von Omega-6 : Omega-3 Fettsäuren aufwies als wenn Kraftfutter gefüttert wurde. Auch das Fettsäureprofil der gesättigten Fettsäuren sah anders aus1.
Ergo: Fleisch ist nicht gleich Fleisch und Fett ist nicht gleich Fett. Es gibt wie bei allen Sachen große Qualitätsunterschiede.
Gesättigte Fettsäuren auf der Anklagebank
Was die gesättigten Fettsäuren angeblich anrichten sollen, habt ihr sicherlich schon erfahren. Es gibt Quellen, die einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr dieser Fettsäuren und Herzkreislauferkrankungen und Diabetes sehen2;3.
Diese Annahme entstand um 1960 und ist heute etwas überholt. Die Empfehlung von damals lautete gesättigte Fettsäuren zu meiden und lieber pflanzliche Öle zu verzehren, insgesamt sollte der Fettanteil jedoch weniger als 30% der insgesamt aufgenommenen Kalorien ausmachen3.
Was haben die gesättigten Fettsäuren zur Verteidigung zu sagen?
Neuere Studien jedoch zeigten, dass diese Aussage nicht mehr zu halten ist. So wird zum Beispiel das Risiko an Atherosklerose und anderen Herzkreislauferkrankungen zu erkranken unter anderem an dem Blutfettwert (Triglyceride) festgemacht. Wurden Kohlenhydrate in der Nahrung durch Fette ersetzt sank der Blutfettwert, was als positiv zu bewerten ist. Dies war bei allen Fetten festzustellen – egal ob gesättigt oder ungesättigt3.
Blutfettwerte SANKEN als weniger Kohlenhydrate, dafür aber mehr (gesättigtes) Fett gegessen wurde
Hinzu kam, dass alle Fette den HDL-Spiegel erhöhten (landläufig auch als gutes Cholesterin bezeichnet), wenn Kohlenhydrate durch Fette ersetzt wurden. Beim LDL-Spiegel gab es jedoch Unterschiede.
Ist gesättigtes Fett tatsächlich ungesund oder sind eventuell noch andere Faktoren beteiligt?
Sind Kohlenhydrate Schuld an Herzkreislauferkrankungen?
Nach den obigen Beobachtungen könnte man das vermuten. Diese Frage ist jedoch nicht so einfach zu beantworten, denn auch hier gibt es Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Ein Grund dafür warum man zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommt, könnte darin liegen, dass die Kohlenhydratquelle oft nicht genannt wird. Dass Kohlenhydrate nicht gleich Kohlenhydrate sind, haben wir schon gelernt (siehe hier). Eine Studie beispielsweise zeigte ein vermindertes Risiko an Herzkreislauferkrankungen, wenn gesättigte Fettsäuren durch Kohlenhydrate ersetzt wurden. ABER, und das ist jetzt ein sehr wichtiger Punkt: sie haben Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index verwendet2.
Ein nächster wichtiger Punkt ist auch: welche Voraussetzungen bringen die Versuchspersonen mit sich? Übergewichtige und zu Diabetes neigende Personen reagieren anders auf Kohlenhydrate als schlanke, sportliche Menschen2.
Den „Schuldigen“ herauszufinden ist nicht so einfach
Studien, die die Auswirkungen von gesättigten Fettsäuren untersuchen, sind sehr schwierig zu interpretieren.
Wird der Kaloriengehalt bei den Versuchsgruppen gleich gehalten, ist man gezwungen einen Inhaltsstoff der Nahrungsmittel mit einem anderen zu ersetzen. So muss man zum Beispiel gesättigtes Fett mit ungesättigtem Fett, oder gesättigtes Fett mit Kohlenhydraten ersetzen. Dabei kann es durchaus passieren, dass eine Ernährung, die vorher viele Kohlenhydrate enthielt, plötzlich zu „low carb“ wird.
Mit anderen Worten: man ändert die komplette Zusammensetzung der Ernährung. Daher sind die Ergebnisse häufig nicht ausschließlich auf das Hinzufügen oder Weglassen von gesättigten Fettsäuren zurückzuführen3.
Sollte man auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten?
Die Empfehlungen der einzelnen Institutionen lauten immer, den Anteil an gesättigten Fettsäuren unter 10% der Gesamtkalorien zu halten – das heißt, sie verbieten diese nicht komplett. Das ist auch gut so, denn wie schon erwähnt, sind sie in fast allen Nahrungsmitteln anzutreffen, nur die Menge ist unterschiedlich.
Was bei den Empfehlungen jedoch fehlt ist, womit man die gesättigten Fettsäuren ersetzen sollte. Sollen die gesättigten Fettsäuren mit ungesättigten ersetzt werden? Da kommt dann wieder die Frage auf: mehrfach ungesättigte Fettsäuren oder einfach ungesättigte? Die gesättigten Fettsäuren mit raffinierten Kohlenhydraten ist scheinbar nicht sehr vorteilhaft. Zusammengefasst kann man fragen: wie soll es in der Praxis umgesetzt werden?
Empfehlungen bezogen auf Nahrungsmittel wären für die Bevölkerung deutlich besser zu handhaben. Allerdings gibt es nur sehr wenige Studien, die den Zusammenhang zwischen Herzkreislauferkrankungen und einem bestimmten Lebensmittel (oder einem Ernährungsmuster) untersuchen.
Es gibt Hinweise darauf, dass verarbeitete Fleischprodukte (z.B. Wurst) das Risiko an Herzkreislauferkrankungen zu erkranken deutlich erhöhen2.
Diese Nahrungsmittelgruppe enthält viele gesättigte Fettsäuren. Milchprodukte (wie Sahne oder Käse) auch, allerdings gibt es dort keine deutlichen Hinweise auf eine Risikoerhöhung – im Gegenteil: es wird sogar vermutet, dass Milchprodukte vor Diabetes Typ 2 schützen können2.
Ist vielleicht kein isolierter Inhaltsstoff schuld?
Muss man beim Fett eventuell auch wieder umdenken? Vielleicht ist es nicht nur das Fettprofil was man sich anschauen muss, sondern auch die übrigen Inhaltsstoffe müssen betrachtet werden. So gibt es Hinweise, dass die Proteine und das Kalzium im Käse das „ungünstige“ Fettsäureprofil wieder ausgleichen. Das könnte eventuell erklären, warum zwischen Milchprodukten und Herzkreislauferkrankungen bisher kein eindeutiger Zusammenhang festgestellt werden konnte.
Ebenso ist es bei dunkler Schokolade. Sie enthält viele Polyphenole, die unser Herzkreislaufsystem schützen und somit unserer Herzgesundheit beisteuern.
Was tun?
Wie du siehst, ist die wissenschaftliche Lage noch nicht ganz eindeutig. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: Transfettsäuren, die bei der Härtung von Fetten entstehen, sind ungesund! Sie werden durchgehend mit einem höheren Risiko für Herzkreislauferkrankungen in Verbindung gebracht2.
Transfettsäuren, die bei der Härtung von Fetten entstehen, sind ungesund – da sind sich alle einig!
Stark verarbeitete Lebensmittel sollte man also meiden. Auch beim Verzehr von Wurstwaren sollte man sich zurückhalten. Wer jedoch auf gute Fleischqualität achtet, muss auf sein Steak nicht zwangsweise verzichten (außer der Arzt sagt etwas anderes). Das Steak sollte jedoch nicht jeden Tag auf den Tisch kommen, sondern nur in Maßen. Wie bei allen anderen Nahrungsmitteln auch: die Menge macht das Gift.
Fazit
Ob gesättigte Fettsäuren per se schlecht sind oder nicht, ist nicht zu beantworten. Die Studienlage ist da noch sehr konfus. Ich persönlich vermute, dass es wie so häufig nicht auf einen isolierten Inhaltsstoff ankommt, sondern wie die restliche Zusammensetzung der Nahrung aussieht. Auch denke ich: wenn die Natur das so zusammengestellt hat und ich nicht sofort vergiftet werde, dann kann es nicht soooo ungesund sein (Beispiel Kokosnuss und Kokosöl).
Meine bekannte Daumenregel:
Wer überwiegend unverarbeitete Lebensmittel zu sich nimmt, muss sich keine Gedanken machen, wenn er mal ein Steak oder eventuell auch ein leckeres Wurstbrot genießt.
Wer jedoch regelmäßig Croissants, Salami, frittierte Nahrungsmittel und ähnliches zu sich nimmt, der tut seinem Körper nichts Gutes.
Also: mach dich nicht verrückt! Achte auf eine ausgewogene Ernährung und versuche dich an die unverarbeiteten Produkte zu halten, wie sie die Natur vorgibt. Das gilt natürlich immer in Verbindung mit einem gesunden Lebensstil – genug Bewegung, frische Luft und Nicht-Raucher. :)
Und denke immer daran: höre auf deinen Körper! Er wird dir schon signalisieren, wenn etwas nicht stimmt!
Wichtig ist, dass DU dich wohl fühlst in deiner Haut!
Quellen
1Daley, C. A., Abbott, A., Doyle, P. S., Nader, G. A., & Larson, S. (2010). A review of fatty acid profiles and antioxidant content in grass-fed and grain-fed beef. Nutrition journal, 9(1), 10. doi: 10.1186/1475-2891-9-10
2Astrup, A., Dyerberg, J., Elwood, P., Hermansen, K., Hu, F. B., Jakobsen, M. U., … & Nestel, P. (2011). The role of reducing intakes of saturated fat in the prevention of cardiovascular disease: where does the evidence stand in 2010?. The American journal of clinical nutrition, 93(4), 684-688. doi: 10.3945/ajcn.110.004622.
3Bier, D. M. (2016). Saturated fats and cardiovascular disease: interpretations not as simple as they once were. Critical reviews in food science and nutrition, 56(12), 1943-1946. doi: 10.1080/10408398.2014.998332