Kohlenhydrate sind nicht gleich Kohlenhydrate. Wie unter „Nährstoffe“ erläutert (hier), bewirkt die Aufnahme von Kohlenhydraten eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels. Dabei wird unterschieden zwischen einfachen und komplexen Kohlenhydraten.
Die einfachen Kohlenhydrate gehen schnell ins Blut über und verursachen einen schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels, während die komplexen einen langsamen Anstieg auslösen.
In diesem Zusammenhang seid ihr sicherlich schon über die Begriffe glykämischer Index (manchmal auch GLYX-Wert abgekürzt) und eventuell auch glykämische Last gestolpert. Was bedeuten diese Begriffe? Wo sind die Probleme oder Grenzen dieser Werte und sollte ich meine Ernährung danach planen?
Kohlenhydrate und der Blutzuckerspiegel
Häufig werden Kohlenhydrate als „Dickmacher“ verteufelt ohne einen Unterschied zwischen den komplexen Kohlenhydraten in naturbelassenen Lebensmitteln und den isolierten einfachen Kohlenhydraten zu machen, wie beispielsweise Zucker in Süßigkeiten.
Alle Kohlenhydrate über einen Kamm zu scheren ist jedoch unfair. Im Hinblick auf den Stoffwechsel (Stichwort Blutzuckerspiegel) gibt es ganz klar einen Favoriten:
der Körper mag die komplexen Kohlenhydrate lieber. Komplexe Kohlenhydrate sind Vielfachzucker und bestehen aus langen Ketten einzelner Zuckerbausteine. Ein sehr bekanntes Beispiel ist Stärke (z.B. in Kartoffeln).
Warum unser Körper mit den komplexen Kohlenhydraten auf Dauer besser klar kommt, liegt daran, dass sie den Blutzuckerspiegel nicht so schnell in die Höhe schießen lassen. Wenn der Blutzuckerspiegel nicht so schnell in die Höhe schießt, muss der Körper auch nicht in Raketengeschwindigkeit durchstarten und dagegen steuern. Dadurch fällt der Blutzuckerspiegel danach auch nicht so schnell ab.
Dies tut dem Körper und auch uns gut. Wir bekommen keine Heißhungerattacken und fallen nicht im Extremfall in den Unterzucker (was bei Diabetikern gerne mal passiert und lebensbedrohlich sein kann).
Zusätzlich stecken in den komplexen Kohlenhydraten meist noch viele schöne Begleitstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe (für unsere lieben Mitbewohner, die Darmbakterien).
Komplexe Kohlenhydrate sind beispielsweise in sämtlichen Hülsenfrüchten, in Getreide (Vollkornprodukten) & Pseudogetreide, in frischem Gemüse und Obst.
Die isolierten bzw. einfachen Kohlenhydrate gehen sofort ins Blut über, weshalb diese nicht so häufig und nicht in so großen Mengen verzehrt werden sollten. In bestimmten Situationen können diese zwar sehr wohl angebracht sein, wie beispielsweise im Sport. Allerdings dann nur kurzzeitig und auch nicht in riesen Mengen.
Beispiele für Einfachzucker sind süße Getränke, Limonaden, Honig, Früchte, Haushaltszucker und alle Produkte, die mit Haushaltszucker hergestellt werden.
Was ist der glykämische Index?
Da Kohlenhydrate nicht gleich Kohlenhydrate sind und sich unterschiedlich auf den Blutzuckerspiegel auswirken, hat man versucht ein Bewertungssystem zu erstellen.
Dieses bekam den Namen: glykämischer Index (GI).
Verlauf des Blutzuckerspiegels bei Glukose (blaue Linie) und bei einem beliebigen Lebensmittel (rot), was einen langsameren Anstieg des Blutzuckers bewirkt. Diese Abbildung dient nur zur bildlichen Darstellung, die Graphen basieren nicht auf echten Werten.
Die Wissenschaft untersuchte die Lebensmittel dahingehend, wie hoch der Blutzuckerspiegel nach einer definierten Zeit anstieg nachdem eine bestimmte Menge (50 g) verwertbarer Kohlenhydrate aufgenommen wurde. Auch wurde untersucht wie lange er über dem Nüchtern-Niveau blieb1.
Nur zur Verdeutlichung: diese 50 g sind nicht 50 g des Lebensmittels! Es wird die Menge an Lebensmittel genommen bis 50 g verwertbare Kohlenhydrate enthalten sind. Das kann bei dem einen Lebensmitel 1 kg sein, bei einem anderen Lebensmittel sind es vielleicht nur 50 g.
Die Werte wurden dann mit den Werten von reiner Glukose verglichen. Der glykämische Index von Glukose liegt bei 100, alle anderen Lebensmittel wurden im Verhältnis dazu gesetzt.
Der glykämische Index sagt also nichts darüber aus, wie viele Kohlenhydrate ein Lebensmittel hat und auch nicht wie viel man essen müsste um auf eine bestimmte Menge Kohlenhydrate zu kommen. Es geht lediglich um die Zusammensetzung der Kohlenhydrate und wie sie im Darm aufgenommen werden.
Wünschenswert ist wie gesagt ein langsamer Anstieg des Blutzuckerspiegels. Folglich würde man denken ein Lebensmittel mit niedrigem glyklämischen Index wäre ernährungsphysiologisch besser als ein Lebensmittel mit hohem glykämischen Index.
Schaut man sich jedoch Tabellen mit den GI an wird man schnell feststellen, dass viele stärkehaltigen Gemüse und auch Obst einen hohen GI haben. Sind diese jetzt ungesund (mehr Informationen dazu, ob Obst und Gemüse ungesund sind findet ihr hier)?
Ganz so einfach ist das (zum Glück) nicht! Kürbis beispielsweise hat einen hohen glykämischen Index. Wie ich hier beschrieben habe, ist er sogar für Diabetiker geeignet. Wie kann das sein?
An dieser Stelle kommt die glykämische Last ins Spiel.
Was ist die glykämische Last?
Die glykämische Last (GL) rechnet den glykämischen Index auf definierte Lebensmittelmengen um. Sie berücksichtigt, wie viel von dem einzelnen Lebensmittel gegessen werden muss um den Blutzuckeranstieg, der im glykämischen Index angegeben wird, zu erreichen.
Mit anderen Worten: die glykämische Last berücksichtigt die Kohlenhydratdichte.
Zucker (Glukose) hat eine GI und GL von 100.
Kürbis und eine Tafel Zartbitterschokolade. Beide haben einen hohen glykämischen Index, aber eine sehr unterschiedliche glykämische Last.
Kürbis hat einen hohen glykämischen Index (je nach Quelle: 65 bis 75). Auf den ersten Blick würde man meinen, Kürbis wäre ungesund und schon gar nicht für Diabetiker geeignet.
Die glykämische Last von Kürbis liegt jedoch bei 4,5. Das ist ein recht niedriger Wert, wenn man sich überlegt, dass reiner Zucker eine glykämische Last von 100 hat. Im Vergleich zu Zucker müsste man also ca. 20 Mal so viel Kürbis essen um dieselbe Auswirkung auf den Blutzucker zu haben.
1 Tafel Zartbitterschokolade bewirkt folglich denselben Blutzuckerspiegelanstieg wie ca. 700 g Kürbis (1 kleiner Hokkaido). Aber mal ehrlich: wer isst einen kompletten Kürbis in einem Rutsch auf??!!
Oder ein weiteres Beispiel: getrocknete Apfelscheiben und ein frischer Apfel haben beide denselben glykämischen Index. Was ist der große Unterschied zwischen beiden? Richtig: der Wassergehalt! Die glykämische Last wird vom frischen Apfel folglich deutlich niedriger sein als von den getrockneten Apfelscheiben.
Der glykämische Index alleine sagt somit nicht viel aus. Man muss die Portionsgröße in Relation dazu sehen.
Wie sieht es mit gemischten Mahlzeiten aus?
Der glykämische Index bezieht sich auf den Blutzuckeranstieg, die glykämische Last basiert ebenfalls auf dem GI, allerdings setzt sie diesen in Relation zur Portionsgröße.
Aber wann esse ich puren Kürbis? Oder nur Kartoffeln? Meistens werden diese mit Salat, eventuell einem Dip oder Ähnlichem gereicht. Somit kommen also auch noch verschiedene Fette, Proteine und eventuell noch weitere Kohlenhydratquellen dazu. Die Addition einzelner gylkämischer Indices oder die Berechnung des Durchschnitts führt nicht zum richtigen Ergebnis!
In diesem Fall sind sowohl der glykämische Index als auch die glykämische Last ziemlich nutzlos. Denn die anderen Komponenten, die gleichzeitig verzehrt werden haben einen großen Einfluss darauf, wie schnell bestimmte Nahrungsbestandteile ins Blut übergehen1. Dieser Einfluss ist bei jeder Lebensmittelkombination auch noch anders, was die Berechnung zusätzlich verkompliziert.
Auch macht es einen Unterschied, ob ich den Kürbis koche, backe, trockne (dörre) oder roh zu mir nehme. Das müsste ebenfalls berücksichtigt werden.
Der glykämische Index ist eigentlich nur dazu gedacht Nahrungsmittel mit einem hohen Kohlenhydratanteil zu bewerten – nicht um gemischte Mahlzeiten oder gar kohlenhydratarme Lebensmittel zu bewerten1.
Fazit
Der glykämische Index sollte niemals alleine betrachtet werden. Die Portionsgröße ist ein sehr entscheidender Faktor (siehe Beispiel mit Kürbis und Schokolade). Meiner Meinung nach sollte er jedoch eher als wissenschaftlicher Wert betrachtet werden, da er im Alltag so gut wie unbrauchbar ist. Aber auch in der Wissenschaft ist man sich uneinig wie brauchbar der glykämische Index ist.
Auch möchte ich zu bedenken geben: jeder Mensch ist einzigartig und ebenso werden die Blutzuckerwerte als Reaktion auf ein Lebensmittel auch unterschiedlich ausfallen. Bei den Nahrungsmitteln wird es ebenfalls natürliche Schwankungen geben je nach Herkunft, Anbaugebiet, Verarbeitungsmethode usw., so dass dem glykämischen Index nicht zu großes Vertrauen geschenkt werden sollte.
Die glykämische Last ist dagegen etwas aussagekräftiger, allerdings hat auch diese ihre Grenzen, die man kennen sollte.
Ich persönlich bin kein Fan von Tabellen. Auch habe ich keine Lust diese ständig mit mir herumschleppen zu müssen.
Als grobe Zusammenfassung der Tabellen kann jedoch geschlossen werden: je unverarbeiteter ein Lebensmittel ist, desto besser ist seine Bewertung in den Tabellen.
Wer dies im Hinterkopf behält, kann glaube ich getrost die Tabellen zu Hause lassen und sich auf sein gesundes Körpergefühl verlassen.
Quellen
1Augustin L.S.A., Kendall C.W.C., Jenkins D.J.A., Willett W.C., Astrup A., Barclay A.W., Björck I., Brand-Miller J.C., Brighenti F., Buyken A.E., et al. Glycemic index, glycemic load and glycemic response: An international scientific consensus summit from the international carbohydrate quality consortium (ICQC) Nutrition, Metabolism & Cardiovascular Diseases 2015; 25 (9): 795–815.