Wer hat‘s erfunden? Die Schweizer!
Bircher-Müsli oder „Overnight oats“ (= Haferflocken über Nacht), wie es in Amerika auch gerne genannt wird, ist ein absoluter Frühstücksklassiker! Wobei ich es ehrlich gesagt auch gerne zum Mittag verspeise, wenn ich unterwegs bin.
Durch das längere Quellen werden die Haferflocken noch geschmackvoller und bekömmlicher. Dank der Ballaststoffe und komplexen Kohlenhydrate machen sie lange satt und fördern die Verdauung.
Woher kommt der Name Bircher-Müsli? Was genau ist das Bircher-Müsli? Und gibt es einen Unterschied zu den Overnight oats?
Das Original Bircher-Mü(e)sli – ursprünglich „Apfel-Diätspeise“
Was wir heute unter dem Namen „Bircher-Mü(e)sli“ kennen und gerade wegen seiner Vielfalt so schätzen, hat nicht mehr viel mit dem Original zu tun. Während es gegenwärtig eher als Frühstück bekannt ist, war es ursprünglich als einfaches Abendmahl gedacht und von jeglicher Üppigkeit weit entfernt.
Das Original war ein leicht verdauliches Abendmahl – nicht wie heute ein Frühstück
Die von Dr. Bircher-Benner geprägte Speise nannte er damals „Apfel-Diätspeise“ bzw. auf Schwyzerdütsch „d´Spys“ (= die Speise). Der schweizerische Arzt reichte den Patienten in seinem Sanatorium diese Speise, welche er selbst bei einer Bergwanderung von einer Alpsennerin kennengelernt hatte und hatte große Erfolge damit. Menschen, die von anderen Ärzten als unheilbar eingestuft wurden, kamen bei Dr. Bircher-Benner wieder auf die Beine.
Es kursieren viele Rezepte, aber laut meinen Recherchen ist dieses das Original3:
Original-Rezept des „Bircher-Mueslis“ nach Dr. Bircher-Benner
Für 1 Portion:
- 1 EL frisch geflockte Haferflocken in 3 EL Wasser für 12 Stunden einweichen.
- Am nächsten Morgen wird ein geriebener Apfel (inklusive Haut, Gehäuse und Kernen),
- 1 EL Zitronensaft (frisch gepresst),
- 1 EL gesüßte Kondensmilch und
- 1 EL geriebene Mandeln oder Haselnüsse hinzugefügt.
- Nachdem alles untergemischt wurde, sollte das Müesli sofort gegessen werden.
Als überzeugter Vertreter einer vegetarischen Rohkosternährung waren für Dr. Bircher-Benner die mit Schale und Kerngehäuse frisch geriebenen Äpfel der Hauptbestandteil und nicht etwa die Getreideflocken, wie es heute der Fall ist2,3,4.
Hauptbestandteil waren nicht Getreideflocken, sondern der geriebene Apfel samt Gehäuse und Kernen
Den Namen „Bircher-Müsli“ haben die Patienten diesem Mahl gegeben und als sich die Erfolge von Bircher-Benners Therapie herumsprachen, war diese in sehr vielen Haushalten in der Schweiz anzutreffen. Die heutigen Rezepte unterscheiden sich sehr von dem Original, aber der Name hat sich gehalten1,2.
Die Bircher-Benner-Lehre
Den Aufzeichnungen zufolge lenkten zwei Erfahrungen die Aufmerksamkeit dieses Arztes auf die Bedeutung der Rohkosternährung für Krankheit und Gesundheit: die Heilung einer schwer magenleidenden Patientin und seine eigene Genesung einer Gelbsucht. Seine „Apfelspeise“ war ein Ansatzpunkt seiner Therapie, womit Dr. Bircher-Benner bei der Züricher Ärztegesellschaft jedoch auf heftige Ablehnung stieß.
Aber er ließ sich nicht beirren und arbeitete weiter.
Seine Ernährungstherapie umfasste im Wesentlichen eine vollwertige, vegetarische (ohne Fleisch) Ernährung mit hohem Rohkostanteil. Dr. Bircher-Benner sprach den Pflanzen eine besondere Bedeutung für die Ernährung zu, da sie in der Lage sind, aus Sonnenlicht Energie zu gewinnen. Nicht der Gehalt an Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten oder Mineralstoffen entscheide über die Qualität der Nahrung, sondern die in der Nahrung enthaltene energetische Spannung. Seiner Vorstellung nach gelangte gebundene Sonnenenergie über die Nahrung in den menschlichen Organismus. Er sprach daher von „Sonnenlichtnahrung“1 bis 5.
Pflanzliche Nahrung war für Dr. Bircher-Benner „Sonnenlichtnahrung“
Eine Ernährung, die reich an Früchten, Gemüse und Nüssen war, konnte Menschen heilen, davon war er überzeugt und setzte dies auch in seinem Sanatorium um. Getreide und dessen Produkte sollten in seiner vollwertigen Form genossen werden, d.h. mit Schale und vor allem mit Keim, da nur hier die wesentlichen Vitalstoffe, sowie die so wichtigen hochwertigen (essentiellen) Aminosäuren und Fette in hoher Konzentration enthalten sind.
Bircher-Benner empfahl eine vollwertige, vegetarische Ernährung mit hohem Rohkostanteil
Tierische Produkte wie (Roh-) Milch, Butter, Käse und Eier waren in Maßen erlaubt, auf Fleisch oder Wurstwaren sollte hingegen verzichtet werden.
Aber Ernährung war nur ein Schritt. Zur Gesundung musste man noch weitere „Baustellen“ in seinem Leben angehen, denn alles zusammen hat Einfluss auf die Lebensqualität.
Die „Ordnungstherapie“
„Krankheit ist Unordnung“ lautete die Auffassung von Dr. Bircher-Benner und dieser Unordnung setzte er eine ganzheitliche Antwort entgegen. In seinem Sanatorium „Lebendige Kraft“ wurde nicht nur nach strengen Ernährungsstrukturen gelebt, sondern auch nach einer sogenannten „Ordnungstherapie“1;2;5. Diese umfasste beispielsweise das frühe Aufstehen um 6 Uhr morgens, ein Morgenspaziergang vorm Frühstück und auch die frühe Bettruhe am Abend. Hinzu kamen gründliches Kauen, bewusstes Atmen und verschiedene körperliche Anwendungen. Auch eine sogenannte „Arbeitstherapie“ oder „Beschäftigungstherapie“ gab es – so wurden Patienten beispielsweise zum Unkraut jäten in den Garten geschickt. Ziel war es einen Rhythmus, einen geregelten Tagesablauf zurück ins Leben zu bringen, denn dieser war die Voraussetzung zur Gesundung – laut Bircher-Benner1;2;5.
Er war Vorreiter einer ganzheitlichen Therapie
Auch wenn er bei seinen Mediziner-Kollegen auf heftige Ablehung stieß – sie hielten seinen Ansatz für unseriös und sogar gefährlich – gaben ihm seine Erfolge jedoch recht. Mit seinem mehrstufigen Therapieansatz war Dr. Bircher-Benner Vorreiter einer ganzheitlichen, psychosomatischen Medizin. Durch Frischluft, Sonnenlicht, Bewegung und vor allem durch eine Ernährungsumstellung konnte er vielen Menschen helfen, welche die Mediziner seiner Zeit als unheilbar einstuften1.
Um seine Therapie zu verbreiten, veröffentlichte Dr. Bircher-Benner seine Empfehlungen und Beobachtungen in einer Zeitschrift: „Der Wendepunkt im Leben und im Leiden“ – kurz „Wendepunkt“ genannt. Dort gab es auch einen Frage-und-Antwort-Kasten, wo Betroffene Fragen stellen konnten und Dr. Bircher-Benner diese in der nächsten Ausgabe (oder, als die Anfragen zu zahlreich wurden, per Post) beantwortete. So lief die damalige Gesundheitsberatung1.
Bircher-Mü(e)sli – Ursprünglich ein Frischkorngericht
Zur Zeit von Dr. Bircher-Benner waren Haferflocken tatsächlich noch ein sogenanntes „Frischkorngericht“. Das ganze Haferkorn wurde frisch mit einer Flockenquetsche gepresst und direkt im Anschluss in Wasser eingelegt. Daher auch die lange Einweichzeit von 12 Stunden.
Durch das Einweichen werden die Körner weicher und leichter verdaulich. Zudem werden beim Einweichen Enzyme aktiv (z.B. Phytase), ähnlich wie beim Züchten von Sprossen. Unser Körper kann dadurch die Nähr- und Vitalstoffe besser aufnehmen. Darüber hinaus sind diese aktiven Enzyme, welche aus Proteinen (Eiweißen) bestehen, selbst wichtige Vitalstoffe für unseren Körper.
Die Haferflocken, die wir heute im Supermarkt bekommen, sind bereits gewalzt und mit Dampf bzw. Hitze behandelt und müssen nicht mehr unbedingt 12 Stunden eingeweicht werden. So wird das enthaltene Fett nicht ganz so schnell ranzig und sie sind länger haltbar. Da diese Flocken nicht mehr keimfähig sind, dient das Einweichen hauptsächlich dazu, dass man eine breiige Konsistenz erhält. Dennoch ist es auch leichter für die Verdauung, wenn sie etwas quellen durften.
Haferflocken eigenhändig zu walzen ist immer noch das Beste!
Wer also die Möglichkeit hat aus Haferkörnern seine Haferflocken zu Hause frisch zuzubereiten, dem würde ich das unbedingt empfehlen! Kaufe dazu den „Nackthafer“. Es ist wirklich ein ganz anderer Geschmack!! Auch für den Magen ist es erstaunlich verträglich! Sehr lecker, sehr nährstoffreich und sättigend! Ich kann es jedem nur nahe legen es zu probieren!
Im Originalrezept wurde gesüßte Kondensmilch verwendet – heute wird diese mit (Pflanzen-) Milch, Sahne oder Joghurt ersetzt – oder komplett weggelassen. Welches Obst verwendet wird, ist dir überlassen. Bedenke nur: Kiwi oder Ananas beispielsweise lassen Milch sauer werden. Anstelle des Apfels kann auch gut eine geriebene Birne hinzugefügt werden – deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Bircher-Müsli als Frühstück, Mittagessen oder Snack
Wie ich hier beschrieben habe, bin ich nicht der Meinung, dass man sich zu einem Frückstück zwingen muss. Aber wer gerne frühstückt, kann dieses Mü(e)sli wunderbar über Nacht im Kühlschrank einweichen lassen. So spart man sich morgens etwas Zeit bei der Zubereitung und kann diese eher fürs Genießen verwenden.
Ich persönlich schmeiße, wenn es schnell gehen muss, morgens auch gerne einfach Haferflocken (aus der Tüte – ja, ich gebe es zu :)) mit Wasser in eine Dose, füge Studentenfutter und/oder (Trocken- oder TK-) Obst hinzu und lasse das dann bis mittags in meiner Tasche einweichen. Die Haferflocken aus der Tüte müssen nicht mehr so lange eingeweicht werden, da die meisten Enzyme durch die Hitzebehandlung sowieso zerstört sind.
Das Rezept zu meinem Lieblings-„to go“-Essen findest du HIER.
Was sind Overnight Oats?
Im englischen Sprachraum sind die „Overnight oats“ zur Zeit sehr angesagt. Eigentlich ist Bircher-Müsli die Mutter aller Overnight oats. Im Grunde ist es nichts anderes als eingeweichte Haferflocken mit (Trocken-) Obst. Natürlich kann man auch Weizen-, Dinkel- oder andere Flocken verwenden.
Overnight oats und Porridge – wo ist der Unterschied?
Abzugrenzen wäre das Bircher-Müsli nur vom Porridge. Während die Haferflocken beim Original Bircher-Müsli nicht erhitzt werden, sondern lediglich in kaltem Wasser quellen, werden die Haferflocken im (englischen) Porridge gekocht. So kenne ich zumindest die Begrifflichkeiten. Wenn das jemand anders gelernt hat, bin ich gerne bereit belehrt zu werden.
Müsli oder Müesli?
Sicherlich sind dir beide Schreibweisen schon begegnet und ehrlich gesagt ist beides richtig.
Im Original wird es Müesli geschrieben – von Mus. Die Schweizer verwenden diese Schreibweise, weil Müsli eine kleine Maus ist und somit für Verwirrung sorgen könnte. In Deutschland hat sich jedoch die Schreibweise Bircher-Müsli eingebürgert – ohne e.
Fazit
Was unter den Alpenbauern schon lange bekannt war, wurde durch den Arzt Dr. Bircher-Benner in die Welt hinausgetragen. Er wurde auf einer Bergwanderung von einer Alpensennerin mit der „Apfelspeise“ bewirtet und nutzte diese später in seinem Sanatorium als leichtes Abendmahl. Niemand hätte damals daran gedacht, dass diese Speise solch eine Berühmtheit erlangen würde. Die Patienten des Sanatoriums gaben ihr den heutigen Namen „Bircher-Mü(e)sli“ und trugen zur Verbreitung des Rezeptes bei.
Heute gibt es unendlich viele Variationen dieser Speise und interessanterweise ist sie derzeit eher als Frühstück bekannt und nicht – wie ursprünglich – als leichtes Abendmahl. Nichtsdestotrotz ist es eine super leckere und nährstoffreiche Mahlzeit. In den USA ist sie unter dem Namen „Overnight oats“ bekannt geworden und setzt sich dort mehr und mehr auch als Mittagessen fürs Büro durch.
Egal wann man es verzehrt – ich persönlich LIEBE diese Erfindung schon alleine weil alles kann und nichts muss! Ich kann es ganz nach meinem eigenen Geschmack zusammenstellen.
Kennst du Bircher-Mü(e)sli? Wie isst du es am liebsten?
Quellen
1Wolff, E. (2009). Funktionsweisen von Gesundheitsberatung im Medienensemble. Das Modell „Bircher-Benner “. Michael Simon et al.(Hg.): Bilder, Bücher, Bytes. Zur Medialität des Alltags, Münster: Waxmann, 83-99.
2Melzer, J., Melchart, D., & Saller, R. (2004). Entwicklung der Ordnungstherapie durch Bircher-Benner in der Naturheilkunde im 20. Jahrhundert. Complementary Medicine Research, 11(5), 293-303.
3Bruker, M. O. (1988). Unsere Nahrung-unser Schicksal: in diesem Buch erfahren Sie alles über Ursachen, Verhütung u. Heilbarkeit ernährungsbedingter Zivilisationskrankheiten. emu-Verlag.
4Bircher-Benner-Diäthetik
5Furger, S. (2004). Mit Rohkost gegen die Degeneration. Schweizerische Ärztezeitung, 85(5), 236-238.
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Vielen Dank für die ganzen Informationen. Ich habe das mal ausprobiert und zumindest in Reinform ist es eine komische Paste. Ich werde vielleicht mal mit einem Früchtekorb herumexperimentieren. Ich glaube mit Früchten kann das wirklich gut schmecken. Hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht! :)
Sehr gerne! Freut mich, dass du es ausprobiert hast! :) Viel Spaß beim weiteren Experimentieren!
Viele Grüße,
Denise