Milch nährt den Menschen schon seit Jahrtausenden, doch inzwischen ist sie in Verruf geraten. Sie steht im Verdacht Krankheiten wie Allergien, Diabetes (Typ 2) oder Krebs zu begünstigen. Doch ist es tatsächlich die Milch selber, die das Problem ist? Oder müsste man zwischen der veränderten und haltbaren „Milch“ aus dem Supermarkt und der Rohmilch, die man beim Bauern bekommt, unterscheiden?
Was ist Rohmilch?
Rohmilch ist frische Milch, die direkt von der Kuh kommt, ohne einer Behandlung wie Pasteurisierung oder Homogenisierung unterzogen worden zu sein. Die Milch enthält somit noch ihre natürlichen Enzyme, Vitamine und ihre natürliche Fettstruktur. Auch der Geschmack von Rohmilch ist völlig anders als der von behandelter (pasteurisierter und homogenisierter) Milch. Bei Wetten, dass..? gab es sogar mal eine Wette bei der eine Familie ihre Kühe am Geschmack ihrer frischen Milch erkannte. Milch ist also nicht gleich Milch.
Allerdings kann sie auch mit Bakterien kontaminiert sein, was viele vor Rohmilch eher zurück schrecken lässt. In manchen Medien wird sie sogar als eine „Bedrohung“ für die Gesundheit dargestellt.
Wie gefährlich ist Rohmilch bzw. Vorzugsmilch?
Rohmilch ist ein empfindliches Lebensmittel. Auf Hygiene und gesunde Tiere muss dabei ganz besonders geachtet werden. Die Milch kann aufgrund von Euterentzündungen oder Bakterien, die sich auf der Haut befinden, kontaminiert werden. Auch bei Haltungsbedingungen bei denen die Tiere zwangsläufig mit ihren Exkrementen in Berührung kommen, besteht ein hohes Risiko der Kontamination. Daher ist die Hygiene im Stall, beim Melkroboter und bei den eventuellen Milchtankstellen unheimlich wichtig. Auch sollten die Tiere regelmäßig untersucht werden.
Jede Mutter weiß wie wichtig Hygiene im Zusammenhang mit Muttermilch und ihrer Aufbewahrung ist – bei der Kuh und ihrem Kalb ist das nicht anders! Schließlich ist die Milch, die wir trinken oder essen ursprünglich zur Ernährung des Kälbchens gedacht.
In Deutschland wird Rohmilch über den Direktvertrieb beim Bauern verkauft, auch „Milch-ab-Hof-Vermarktung“ genannt. Meist gibt es so genannte Milchtankstellen1 in denen die Milch gekühlt wird und der Verbraucher sich einen Teil abfüllen kann. Allerdings muss vermerkt sein, dass die Rohmilch vor dem Verzehr erhitzt werden sollte2.
Im Handel gibt es „Vorzugsmilch“ zu kaufen. Das ist unter strickten Bedingungen hergestellte und abgepackte Rohmilch. Hier muss jedoch kein Hinweis auf ein Abkochen der Rohmilch gegeben werden.
Da die Betriebe, die Vorzugsmilch in den Handel bringen dürfen, sehr streng kontrolliert werden, schätzt das Bundesinstitut für Risikobewertung die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung als geringer ein als über Rohmilch, die von „herkömmlichen“ Betrieben kommt. Daher darf Vorzugsmilch auch ohne Erhitzen genossen oder verarbeitet werden2.
Schwangeren, Personen mit einem geschwächten Immunsystem und Kleinkindern empfiehlt das BfR dennoch das Abkochen von Rohmilch (die immer abgekocht werden sollte ihrer Meinung nach) und auch das Abkochen von Vorzugsmilch.
Ist Rohmilch gesund?
Ein großer Vorteil von Rohmilch ist, dass sie naturbelassen ist. Da sie nicht erhitzt wird, bleiben die Nährstoffe komplett erhalten. Ob es nötig ist Kuhmilch zu trinken, egal ob als Heranwachsender oder als Erwachsener, ist ein großes Diskussionsthema – sowohl unter Verbrauchern als auch unter Wissenschaftlern. Das würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen.
Es gibt jedoch Studien, die belegen, dass Rohmilch schützende Eigenschaften besitzt. Was viele Bauern schon lange an ihren Familien feststellen, belegen nun auch Studien. Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, erkranken viel seltener an Allergien und Asthma und entwickeln bessere Abwehrkräfte3. Das liegt jedoch nicht nur am frühen Kontakt mit Tieren, wie man anfangs vermutete, sondern auch am frühen Konsum von Rohmilch. Allerdings zeigte sich in der Studie, dass es wichtig ist, dass die Rohmilch nicht erhitzt (über 40°C) wird. Gekochte Rohmilch zeigte nämlich keinen positiven Effekt3.
Eine Frage ist ja auch: muss denn alles tatsächlich abgekocht werden? Bakterien sind ja nicht immer schädlich für uns. Unser Darm ist voll mit ihnen – Stichwort Darmmikrobiota (mehr dazu hier).
Was macht uns krank?
Nun stellt sich natürlich die Frage: was macht uns denn krank? Ist es die Milch selber oder ist es die pasteurisierte und homogenisierte Milch? Oder macht uns Milch gar nicht krank und die Werbung hat recht: wir brauchen Milch?!
Zunächst einmal: Milch muss nicht getrunken werden. In unserer Überflussgesellschaft ist es durchaus möglich seine Nährstoffe aus anderen Nahrungsmitteln zu ziehen. Da sollte sich keiner etwas vormachen lassen.
Wer jedoch Milch genießt, der sollte wissen wie sie behandelt wird. Deshalb hier einige Erläuterungen.
Was ist pasteurisierte Milch?
Pasteurisation bedeutet, dass die Milch für kurze Zeit hoch erhitzt wird, um einen Teil eventuell schädlicher Bakterien abzutöten. Nein, es sterben nicht alle Bakterien – die Milch ist nicht steril. Aber es sterben schon einige Hefen und „Lebensmittelverderber“, wodurch die Haltbarkeit der Milch deutlich verlängert werden kann.
Durch das Erhitzen werden ebenfalls ein paar Vitamine und Enzyme zerstört. Der wissenschaftliche Standpunkt bisher ist jedoch, dass der Verlust sehr gering ist und außerdem betrifft es meist Vitamine, die man aus anderen Nahrungsmitteln viel besser aufnehmen kann4. Daher ist dieser Verlust zu vernachlässigen, da das Erhitzen die Milch für den Menschen deutlich sicherer macht4.
„Frische Vollmilch“ aus dem Supermarkt ist immer pasteurisiert, meistens auch homogenisiert.
Was ist Homogenisieren?
Naturbelassene Milch rahmt auf. Lässt man sie etwas stehen, wird sich das Fett (der Rahm) vom Wasser trennen und oben auf schwimmen. Um dies zu verhindern, wird die Milch homogenisiert. Bei der Homogenisierung wird die Milch durch winzige Düsen gepresst und mit hohem Druck auf ein Blech gespritzt. Durch den Aufprall auf dem Blech zerspringen die Fettkügelchen in winzig kleine Fettkügelchen und finden auch nicht mehr zusammen. Daher rahmt die Milch nicht mehr auf. Gleichzeitig soll auch dieser Vorgang die Haltbarkeit verlängern können.
Es gibt Milch im Handel, die nur pasteurisiert, jedoch nicht homogenisiert ist. Der Vorgang die Fettkügelchen zu zerkleinern wird von manchen kritisch gesehen.
Durch die Zerkleinerung der Fettkügelchen, hat man eine deutlich größere Oberfläche und folglich deutlich mehr Fettpartikel (ca. 600-fach mehr). Die kleinen kaputten Fettpartikel versuchen natürlich schnellstmöglich ihre Membran wieder zu reparieren, da Fett nicht wasserlöslich ist. Dazu lagern sie Proteine an ihre Oberfläche. Man braucht somit deutlich mehr Proteine an Fettkügelchen als vorher.
Es gibt die Hypothese, dass diese kleinen Fettkügelchen die Darmwand passieren könnten und somit den eigentlichen Fettstoffwechsel über das Lymphsystem umgehen5. Dies soll auch Auswirkungen auf die Immunreaktion auf diese Proteine haben5, was eventuell der Grund für einige allergischen Reaktionen sein könnte. Wie das jedoch genau aussieht und was da passiert, muss noch eingehend untersucht werden.
Fazit
Ein Leben ohne Milch ist absolut möglich! Wer keine Milch mag, muss sich auch nicht zwingen sie zu trinken. Aber wenn man gerne Milch mag, dann sollte man sich eventuell doch mal mit der Herkunft beschäftigen.
Fakt ist, Rohmilch bzw. Vorzugsmilch ist die natürlichste Art und Weise Milch zu konsumieren. Auch wenn man leider einige Schreckensmeldungen zu Rohmilch findet, muss man feststellen: wenn die Hygiene ernst genommen wird, dann ist auch Rohmilch keine Gefahr für den Verbraucher.
Egal was die Wissenschaft sagt: durch Schritte wie Pasteurisieren und Homogenisieren wird das Produkt Milch verändert. Ob es so verändert wird, dass es schädlich ist, das muss noch untersucht werden. Bisher gibt es hauptsächlich Hypothesen.
Was ich zusätzlich zu bedenken geben möchte: genauso wie wir Menschen, müssen auch unsere Tiere gesund ernährt werden (Was frisst eine Milchkuh?). Auch Kühe können nur qualitativ gute Milch geben, wenn sie vernünftig ernährt und unter artgerechten Bedingungen aufwachsen. Mehr dazu, gibt es in meinem Gastbeitrag zu lesen.
Wie ist deine Meinung zu diesem Thema? Trinkst du Kuh-Milch? Rohmilch oder verarbeitete Milch?
Quellen
1https://www.milchtankstellen.com/cms/front_content.php?idcat=1
2https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zum_verzehr_von_rohmilch-197200.html
3Loss, G., Apprich, S., Waser, M., Kneifel, W., Genuneit, J., Büchele, G., … & van Neerven, R. J. (2011). The protective effect of farm milk consumption on childhood asthma and atopy: the GABRIELA study. Journal of Allergy and Clinical Immunology, 128(4), 766-773.
4MacDONALD, L. E., Brett, J., Kelton, D., Majowicz, S. E., Snedeker, K., & Sargeant, J. M. (2011). A systematic review and meta-analysis of the effects of pasteurization on milk vitamins, and evidence for raw milk consumption and other health-related outcomes. Journal of food protection, 74(11), 1814-1832.
5Miller, J. D. (2013). Absence of homogenization might explain the benefits of raw cow’s milk. Journal of Allergy and Clinical Immunology, 131(3), 927.