Vermutlich gab Dr. Atkins den Anstoß für das große Interesse an kohlenhydratarmer Ernährung. Er entdeckte, dass eine kohlenhydratarme, dafür aber fettreiche Ernährung das Abnehmen erleichtere. Seitdem rutscht das Thema Kohlenhydrate immer mehr in den Fokus. Es wird diskutiert, ob Kohlenhydrate überhaupt gesund und nötig wären, andere sind der Meinung man könnte nicht ohne sie leben, allerdings gäbe es bestimmte Tageszeiten an denen sie am besten verzehrt werden sollten – es gibt also viele verschiedene Ansätze.
So hat auch die ketogene Diät in den letzten Jahren immer mehr an Bekanntheit gewonnen. Ursprünglich war diese extrem kohlenhydratarme Ernährungsweise in den 1920ern für Kinder mit Epilepsie entwickelt worden. Seitdem wird sie in diesem Bereich besonders bei Kindern, die nicht auf Medikamente ansprechen, sehr erfolgreich eingesetzt. Inzwischen kommt sie auch bei anderen Krankheiten wie Diabetes, Akne, neurologischen Störungen, Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS), Akne, Krebs und Herzkreislauferkrankungen zur Anwendung1.
Dieser Beitrag soll in erster Linie darüber informieren WAS ketogene Ernährung ist, was eine „Ketose“ für den Stoffwechsel bedeutet und was die Wissenschaft sagt.
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Was ist eine ketogene Ernährung?
Eine ketogene Ernährung ist eine extreme Form der kohlenhydratarmen Ernährung. Dabei wird Eiweiß (Protein) nur in moderaten Mengen verzehrt, während der überwiegende Teil der Nahrung aus Fetten besteht. Meist werden maximal 50 g Kohlenhydrate pro Tag verzehrt1.
Bei dieser Form der Ernährung wird der Körper gezwungen seinen Stoffwechsel umzustellen2.
Unter „normalen“ Umständen dient in erster Linie Glukose (Zucker) als hauptsächliche Energiequelle. Solange diese vorhanden ist, wird der Körper darauf zurückgreifen. Dennoch hat er einen „Notfallplan“ in petto, falls die Kohlenhydratspeicher mal leer sein sollten. Schließlich kann das durchaus mal vorkommen, wenn man einige Zeit nichts isst (z.B. beim Fasten) oder auf Kohlenhydrate verzichtet.
Nach der Umstellung dienen Ketonkörper als Energiequelle – nicht mehr Glukose (Zucker)
Die Umstellung auf eine neue Energiequelle erfolgt nicht sofort, sondern ist ein aufwändiger Prozess, der einige Tage (manchmal sogar Wochen) dauern kann. Dabei können Symptome wie verringerte Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen und ähnliches auftreten – manchmal wird auch von einer „keto-Grippe“ gesprochen. Nach einiger Zeit jedoch gewöhnen sich sowohl der Stoffwechsel als auch sämtliche anderen Zellen an die neue Zusammensetzung der Nahrung.
Dann wird nicht mehr Glukose (Zucker), sondern Fett verwendet und man befindet sich im „Ketose-Stoffwechsel“. Zur Info: Beim Intervallfasten (mehr dazu HIER und HIER) kommt man nicht in die Ketose – dazu ist die Periode in der man nichts isst zu kurz. Allerdings werden Ketonkörper durchaus gebildet8.
INFO: Die ketogene Ernährung ist NICHT gleichzusetzen mit „Paleo“, „low carb“ oder „Atkins-Diät“! Diese Ernährungsformen sind zwar kohlenhydratarm, dennoch gibt es Unterschiede zur ketogenen Ernährung.
Was passiert mit dem Stoffwechsel?
Ziel ist es, durch eine kohlenhydrat- und zuckerarme Kost seinen Körper zu zwingen nicht mehr Glukose (Zucker) als Energiequelle zu nutzen, sondern Fett.
Wie das auf biochemischer Ebene genau funktioniert ist sehr aufwendig und kompliziert, weshalb ich es nur vereinfacht darstellen werde.
Fett wird in Ketone umgewandelt, wobei Glucagon die Produktion von Ketonen fördert, während Insulin sie hemmt.
Wenn keine Glukose mehr zur Verfügung steht, nutzt unser Körper das gespeicherte Fett (oder das Fett, was über die Nahrung zugeführt wird). Fettsäuren können in der Leber (und zu einem kleineren Teil auch in anderen Organen) zu Ketonkörpern umgewandelt werden. Dabei entstehen hauptsächlich drei verschiedene Ketonkörper:
- Acetoacetat
- Aceton und
- 3-Hydroxybutyrat (chemisch gesehen kein Keton, aber es wird dazugezählt)
Die Bildung dieser Ketonkörper wird durch Glucagon erhöht und durch Insulin gehemmt.
Glucagon ist ein Hormon, welches dafür sorgt, dass der Blutzuckerspiegel erhöht wird, sollte er z.B. bei Nahrungskarenz oder aus anderen Gründen abfallen. Nicht zu verwechseln mit Glykogen, welches die Speicherform von Kohlenhydraten ist!
Insulin ist das Hormon, was die Zellen quasi „aufschließt“, damit Zucker aus dem Blut in die Zelle gelangen kann. Insulin senkt also quasi den Blutzuckerspiegel und sorgt dafür, dass die Glukose (Zucker) in die Zelle gelangt, damit diese daraus Energie herstellen kann. Gleichzeitig hemmt Insulin die Produktion von Ketonkörpern (diese Info ist besonders wichtig um den Unterschied zwischen Ketose und diabetische Ketoazidose zu verstehen – siehe weiter unten).
Da bei der ketogenen Ernährung keine Glukose (Zucker) vorhanden ist und Fettsäuren von den Zellen nicht als Energiequelle genutzt werden können, bildet die Leber Ketonkörper. Die Ketone gelangen dann aus der Leber über das Blut zu den anderen Organen, wo aus ihnen dann Energie gebildet werden kann.
Das wichtigste und am meisten produzierte Keton ist das 3-Hydroxybutyrat. Acetoacetat wird zu einem kleineren Anteil gebildet und kann spontan zu Aceton degradiert werden. Aceton wird über die Lunge abgeatmet, worüber man tatsächlich auch messen kann, ob man sich in der Ketose befindet. Aber auch im Urin und im Blut lassen sich Ketonkörper nachweisen. Mehr Infos dazu HIER.
Übrigens: Unsere Fettreserven sind um ein vielfaches größer als unsere Kohlenhydratspeicher.
Der Name „ketogen“ oder kurz „keto“ bezieht sich auf die Stoffwechselprodukte, die vermehrt anfallen, wenn Fett als Energiequelle genutzt wird.
Das Gehirn kann auch Ketone als Energiequelle nutzen
Häufig wird behauptet, dass das Gehirn von Glukose abhängig wäre und man deshalb Kohlenhydrate essen MÜSSTE. Das ist jedoch nicht ganz richtig.
Ja, das Gehirn bevorzugt Glukose (Zucker), welche die Bluthirnschranke passieren kann und somit unter normalen Umständen die Energiequelle Nummer 1 darstellt. Im Hungerzustand, bzw. wenn keine Glukose vorhanden ist, kann jedoch auch das Gehirn auf Ketone als Energiequelle umschalten3.
Fettsäuren können die Bluthirnschranke zwar nicht überwinden, Ketonkörper dafür schon! Deshalb werden sie von der Leber aufwendig produziert und stehen dem Gehirn somit als Energieform zur Verfügung. Andernfalls wäre auch dauerhaft eine sehr eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Gehirns bei der ketogenen Ernährungsform zu beobachten. Auch wäre das früher beim Jagen kontraproduktiv gewesen, wenn das Gehirn in Hungerzeiten unterversorgt wäre.
Was ist der Unterschied zwischen Ketose und der diabetischen Ketoazidose?
Diese beiden Begriffe werden leider häufig verwechselt. Die diabetische Ketoazidose (kurz DKA) ist eine gefährliche Stoffwechselentgleisung bei Insulinmangel. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselübersäuerung aufgrund vermehrter Bildung von Ketonkörpern. Die Ketonkonzentration kann die gefährliche Grenze von 20 mmol/l übersteigen, was von einem Absinken des Blut-pH-Wertes begleitet wird4. Dies wird häufig bei Diabetes Typ 1 Patienten beobachtet, aber auch bei Diabetes Typ 2 kann es auftreten, wenn die Insulindosis nicht richtig eingestellt ist.
Ein gesunder Mensch fällt bei einer ketogenen Ernährung jedoch nicht in diese Notsituation – außer andere, vielleicht bis dahin unerkannte Umstände zwingen ihn dazu. Im Normalfall steigt die Ketonkörperkonzentration nicht über 7 oder 8 mmol/l1, da ein funktionierender Insulinhaushalt verhindert, dass die Konzentration an Ketonkörpern im Blut diesen Wert nicht überschreitet. Auch der pH-Wert des Blutes steigt nicht an4.
Die ketogene Ernährung ist bei einem gesunden Menschen somit völlig sicher.
Für wen ist eine ketogene Ernährung geeignet?
Wie bei allen Ernährungsformen, muss individuell entschieden werden, für wen diese extreme Ernährung hilfreich sein könnte. Mit Sicherheit wird nicht jeder damit klar kommen, nichtsdestotrotz gibt es bestimmte Krankheiten bei denen eine (eventuell auch nur zeitweise) Ernährungsumstellung von Vorteil sein könnte. Das sollte jedoch immer in Absprache mit einem Arzt geschehen.
Epilepsie
Ursprünglich war die ketogene Ernährung in den 1920ern für Kinder mit Epilepsie entwickelt und auch sehr erfolgreich eingesetzt worden. Gerade für Kinder, die nicht auf Medikamente ansprachen war das die Rettung1;4;5.
Diabetes Typ 2 und das metabolische Syndrom
Für Menschen mit Diabetes Typ 2 oder dem metabolischen Syndrom (eigentlich alle bei denen eine Kohlenhydratempfindlichkeit vorliegt) scheint diese Ernährungsform vorteilhaft zu sein. Natürlich sollte das immer unter Beobachtung und in Absprache mit einem Arzt erfolgen, damit es NICHT zur gefährlichen Ketoazidose kommt. Studien zeigen, dass die Medikamentendosis nach einiger Zeit herabgesetzt oder teilweise sogar weggelassen werden kann, da dem Körper nicht nur weniger Glukose (Zucker) zugeführt wird, sondern sich auch die Insulinsensitivität verbessert1;4;5. Aber wie gesagt: alles nur in Absprache mit einem Arzt!
Herzkreislauferkrankungen
Der hohe Fettgehalt der ketogenen Ernährung brachte sie in „Verruf“, da sie eigentlich Herzkreislauferkrankungen fördern müsste – so lautet häufig die Auffassung. Doch der überweigende Teil der Studien zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Sowohl Blutfettwerte als auch Cholesterinwerte verbesserten sich unter dieser Ernährungsform1;4;5.
Abnehmen
Es ist nachgewiesen, dass die ketogene Ernährung beim Abnehmen hilft. Welche Mechanismen sich dahinter verbergen oder ob die Pfunde nur purzeln, weil man weniger Kalorien zu sich nimmt, da ist man sich noch nicht einig. Manche Wissenschaftler vertreten die Meinung, dass Eiweiß und Fett sättigender sind und man im Endeffekt unbewusst weniger isst. Andere wiederum meinen, dass es maßgebliche Veränderungen im Stoffwechsel gibt, die sich positiv auf das Gewicht (und vielleicht auch andere Bereiche im Körper) auswirken4;5;6. Den Grund muss man also noch herausfinden, aber fakt ist, dass diese Ernährungsform sehr erfolgreich beim Abnehmen ist.
Krebs
Krebs geht einher mit einem veränderten Zellstoffwechsel. Das Zellwachstum gerät außer Kontrolle und es kommt schließlich zum unkontrollierten Zellwachstum bzw. Metastasierung. Chronische Entzündungen, erhöhte Insulinwerte und erhöhte Zuckerwerte scheinen nachweislich dabei eine Rolle zu spielen4. Daher scheint es nicht verwunderlich, dass auch die ketogene Ernährung begleitend zu anderen Therapien unterstützend sein könnte. Erste Hinweise bestätigen diese Theorie, allerdings sind noch weitere Untersuchungen nötig1.
Akne vulgaris
Es gibt Hinweise, dass Akne vulgaris mit einem gestörten Hormonhaushalt zu tun hat und dass dieser vom Blutzuckerspiegel beeinflusst wird. Untersuchungen zeigen, dass die ketogene Ernährung eventuell begleitend zu anderen Maßnahmen helfen könnte, wobei auch hier noch weitere Studien nötig sind1;6.
Polyzystisches Ovar Syndrom (PCOS)
Das PCO-Syndrom (kurz: PCOS) ist eine Krankheit, die vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Die Krankheit wird zurückgeführt auf eine Störung im hormonellen Regelkreis, wobei besonders die männlichen Hormone überproduziert werden. Auch hier gibt es Hinweise, dass eine ketogene Ernährung hilfreich sein könnte. Es sind jedoch noch weitere Studien nötig1;7.
Neurologische Störungen
Studien zum Einsatz der ketogenen Ernährung bei verschiedenen neurologischen Störungen wie z.B. Alzheimer, Parkinson, Autismus, Multiple Sklerose, etc. laufen. Bisher machen die Ergebnisse Hoffnung, da Ketone scheinbar schützend auf die Nervenbahnen wirken. Solche Krankheiten sind jedoch sehr vielschichtig, weshalb weitere Untersuchungen dringend notwendig sind1.
Fazit
Die ketogene Ernährung ist extrem, gar keine Frage, dennoch kann sie in gewissen Lebenssituationen angebracht sein. Allerdings sollte das dann am besten von einer erfahrenen Person (Arzt, Ernährungsberater, etc.) überwacht werden.
Da bei dieser Ernährungsweise viel Fett gegessen wird, ist es umso wichtiger auf hochwertige Nahrungsmittel zu achten (z.B. natives Kokosöl, Avocado, Nüsse, etc.). Weiterhin möchte ich zu bedenken geben, dass unsere Ernährung nicht nur aus Makronährstoffen, sondern genauso auch aus Mikronährstoffen besteht, welche bitte nicht missachtet werden sollten – auch bei so extremen Ernährungsformen.
Vor einiger Zeit hatte ich von dem Buch „Perfect Health Diet“ berichtet (HIER). Das Autorenehepaar hat ihre eigene Ernährungszusammenstellung vorgestellt und begründet dies sehr schön mit verschiedenen wissenschaftlichen Studien. Ich persönlich fand das Buch sehr aufschlussreich und kann es jedem nur empfehlen, der vielleicht einfach mal eine neue Sichtweise auf die Ernährung erlernen möchte. Dort wird auch kurz auf die ketogene Ernährung eingegangen.
Ich denke Ernährungsformen müssen, wie immer, der jeweiligen Situation angepasst werden. Sicherlich wird nicht jeder mit dieser extrem kohlenhydratarmen Ernährung klar kommen. Dennoch ist es wichtig darüber informiert zu sein um in bestimmten Situationen vielleicht darauf zurückgreifen zu können (bei Krebs, Epilepsie oder anderen Erkrankungen beispielsweise).
Quellen
1Paoli, A., Rubini, A., Volek, J. S., & Grimaldi, K. A. (2013). Beyond weight loss: a review of the therapeutic uses of very-low-carbohydrate (ketogenic) diets. European journal of clinical nutrition, 67(8), 789.
2Yancy, W. S., Olsen, M. K., Guyton, J. R., Bakst, R. P., & Westman, E. C. (2004). A low-carbohydrate, ketogenic diet versus a low-fat diet to treat obesity and hyperlipidemia: a randomized, controlled trial. Annals of internal medicine, 140(10), 769-777.
3Sokoloff, L. O. U. I. S. (1973). Metabolism of ketone bodies by the brain. Annual review of medicine, 24(1), 271-280.
4Laffel, L. (1999). Ketone bodies: a review of physiology, pathophysiology and application of monitoring to diabetes. Diabetes/metabolism research and reviews, 15(6), 412-426.
5Feinman, R. D., Pogozelski, W. K., Astrup, A., Bernstein, R. K., Fine, E. J., Westman, E. C., … & Nielsen, J. V. (2015). Dietary carbohydrate restriction as the first approach in diabetes management: critical review and evidence base. Nutrition, 31(1), 1-13.
6Paoli, A., Grimaldi, K., Toniolo, L., Canato, M., Bianco, A., & Fratter, A. (2012). Nutrition and acne: therapeutic potential of ketogenic diets. Skin pharmacology and physiology, 25(3), 111-117.
7Mavropoulos, J. C., Yancy, W. S., Hepburn, J., & Westman, E. C. (2005). The effects of a low-carbohydrate, ketogenic diet on the polycystic ovary syndrome: a pilot study. Nutrition & metabolism, 2(1), 35.
8Mattson, M. P., Longo, V. D., & Harvie, M. (2017). Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing research reviews, 39, 46-58.