„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, sagt der Volksmund. Tatsächlich kann man an gewissen Merkmalen die Vorfahren erkennen. Doch welcher Teil von uns ist tatsächlich auf den Genen festgelegt und welcher Teil ist abgeguckt oder angelernt?
Wer Kleinkinder beobachtet wird feststellen, dass sie sich ganz viel von ihren Eltern abgucken. So kann es dann auch passieren, dass das Kind humpelt, weil die Mutter oder Vater eine beschädigte Hüfte hat. Das Kind selber hat jedoch eigentlich eine gesunde Hüfte und müsste gar nicht humpeln.
Wer kontrolliert hier wen? Sind wir Opfer unserer Gene? Oder können wir in gewissem Maße unsere Gene „kontrollieren“ bzw. beeinflussen?
Die Baupläne unserer Zellen
Am Anfang jeder Menschwerdung steht eine einzige Zelle: das befruchtete Ei. Durch Teilung entstehen identische Kopien und die entstandenen Zellen differenzieren sich in vier Haupttypen: Epithelzellen, Bindegewebszellen, Nervenzellen und Muskelzellen.
Diese differenzierten Zellen wiederum ordnen sich zu Geweben und können letztendlich eine Funktionseinheit wie beispielsweise ein Organ (Niere, Leber, etc.) bilden.
Jede Zelle hat die gleiche Erbgut-Information
Jede Zelle in unserem Körper enthält das gesamte, für die Person einzigartige Erbgut – die DNS bzw. DNA (Desoxyribonukleinsäure – engl.: deoxyribonucleic acid).
Wer entscheidet über das „Schicksal“ unserer Zellen?
Aber woher weiß eine Hautzelle, dass sie eine Hautzelle werden soll und somit beispielsweise kein Insulin produzieren muss? Woher weiß die Leberzelle, welche Aufgaben sie hat?
In Laborversuchen hat man festgestellt, dass Zellen sich in unterschiedlichen Nährmedien zu unterschiedlichen Zellen entwickeln (Muskelzellen, Bindegewebe, etc.). Mit anderen Worten: das Nährmedium entscheidet über das „Schicksal“ der Zelle.
Signale aus der Umgebung sind ausschlaggebend
Diese Erkenntnis war bahnbrechend, denn das bedeutet, dass nicht die DNS (unser Erbgut) die Entwicklung bestimmt, sondern die UMGEBUNG – die Signale, die von außen kommen.
Die DNS enthält zwar den gesamten Bauplan, aber welcher Abschnitt abgelesen wird, wird von einem Signal gesteuert, welches erst die Zellmembran überwinden muss.
Stell dir vor die DNS wäre ein Buch. Jede Zelle hat dasselbe Buch. Die Unterschiede zwischen den Zellen entstehen dadurch, dass sie nicht das ganze Buch lesen. Eine Muskelzelle hat zum Beispiel nur Zugriff auf Kapitel 1 und vielleicht ein paar Sätze aus Kapitel 2. Die Leberzelle liest Kapitel 4, 5 und 6 usw.
Jede Zelle hat somit quasi das Potential allwissend zu sein – schließlich hat jede Zelle dasselbe Buch, aber da sie nicht auf das ganze Buch Zugriff hat, unterscheiden sie sich.
Was bedeutet das?
Das bedeutet im Klartext, dass wir NICHT Opfer unserer Gene sind.
Die Epigenetik besagt: wir können unsere Erbinformationen selbst beeinflussen. Auf dieses Thema bin ich HIER bereits schon eingegangen.
Wir haben definitiv einen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlergehen. Wir sind nicht Opfer einer „schlechten“ oder „guten“ Erbinformation. Nur weil etwas „in der Familie liegt“ heißt das noch lange nicht, dass es uns auch betreffen muss.
Unsere Ernährung, unser Lebensstil, aber auch unsere Gedanken, Gefühle oder Stress – all das sind letztendlich Faktoren, die Einfluss auf unsere Zellen und somit unsere Epigenetik (das An- und Abschalten von Genen) haben.1;2 Wie wichtig ein gesunder Darm für unsere Psyche ist, erfährst du HIER.
WIR steuern unsere Gesundheit
Ich finde diese Idee sehr befreiend, denn damit liegt die Verantwortung für unsere Gesundheit bei uns. WIR entscheiden, was wir essen und trinken, wie viel Sport wir treiben, aber auch welche Gedanken und Gefühle wir haben/zulassen.
Damit sind wir auch diejenigen, die in gewissem Maße steuern können, welche Gene in der Zelle an- bzw. ausgeschaltet bleiben. Auf unserem Erbgut können wir vielleicht die Veranlagung zu einer bestimmten Krankheit haben, wie zum Beispiel Diabetes mellitus (Typ II), Krebs, Neurodegenerative Krankheiten, etc. Aber ob sie wirklich ausbrechen, hängt von verschiedenen Umweltfaktoren ab.1;2 Wir müssen unserer Erbinformation nicht zwangsläufig hilflos ausgeliefert sein.
Nur mal als Beispiel: wer viel Zucker isst, zwingt die Bauchspeicheldrüsenzelle dazu viel Insulin zu produzieren. Geschieht das über einen längeren Zeitraum, kann die Zelle Schaden annehmen und derjenige kann an Diabetes mellitus (Typ II) erkranken. Jemand, der bereits die genetische Veranlagung dazu hat, wird sicherlich schneller Probleme bekommen, als jemand, der sie nicht hat. Wer jedoch auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achtet, wird vielleicht nie wissen, dass er die Veranlagung zu Diabetes mellitus (Typ II) hat.
Mehr Verantwortung übernehmen
Ausreden wie: „Den dicken Bauch habe ich von meinem Vater (bzw. meiner Mutter), das liegt an meinen Genen.“ ziehen also nicht. Wir sind alle für unser eigenes Schicksal verantwortlich – in gewissem Maße.
Ich will jetzt natürlich nicht sagen, dass jemand selbst schuld ist, wenn er erkrankt. Ich will damit nur aufzeigen, dass der Lebensstil sehr wohl große Auswirkung auf unsere Gesundheit hat und man durchaus etwas ändern kann, wenn man will. Ganz besonders, wenn man weiß, dass etwas gehäuft in der Familie vorkommt, muss man dem nicht hilflos ausgeliefert sein.
Wer sich informiert und bereit ist Neues auszuprobieren, alte Gewohnheiten zu verändern und sich mit seiner Situation auseinander setzt, kann schon viel bewirken. Ob man raucht oder nicht, was man isst, wie man mit seiner Situation und Stress umgeht – das sind alles Faktoren, die auf Zellebene ebenfalls eine Rolle spielen.
Die Zelle reagiert darauf.
Fazit
Viele haben die Verantwortung für ihre Gesundheit an ihren Hausarzt abgegeben. Doch unser Gesundheitssystem ist nur in der Lage als Nothilfe zu fungieren, da es meist erst aktiv wird/werden kann, wenn die Krankheit bereits da ist. Wie Hippokrates mal sagte: „Der Arzt behandelt, die Natur heilt.“ Für die Prävention sind WIR verantwortlich.
Ein gesunder Lebensstil wird nicht vor allen Krankheiten schützen – es gibt im Leben leider keine Garantien. Wer jedoch bereits einen gesunden Lebensstil pflegt, hat größere Chancen im Fall der Fälle glimpflich davon zu kommen.
Siehe diese „Macht“ als Ansporn und verändere etwas, wenn du das Gefühl hast auf dem falschen Weg zu sein. Denn nur DU kannst etwas ändern.
Keiner erwartet, dass du deine Gewohnheiten von heute auf morgen veränderst, aber trau dich sie anzugehen. Auch wenn der Weg vielleicht nicht leicht sein wird, wird er sicherlich die Mühe wert sein.
Wenn ein Blumenkohl zur Pizza werden kann, dann kannst DU alles werden:) Trau dich!
Quellen
1Johnstone, S. E., & Baylin, S. B. (2010). Stress and the epigenetic landscape: a link to the pathobiology of human diseases?. Nature Reviews Genetics, 11(11), 806.
2Kaiser, J. (2010). Epigenetic drugs take on cancer.