Wer glutenfrei backen will wird sehr schnell merken, dass nicht der Geschmack sondern die Konsistenz der Backwaren eine große Herausforderung darstellt. Mit dem Ersetzen des glutenhaltigen Mehls durch ein glutenfreies Mehl ist es leider nicht getan. Dem Teig fehlt nämlich DAS strukturgebende Element: das Gluten (Klebereiweiß). Der Umgang mit den neuen Zutaten erfordert etwas Übung, aber auch das kann gemeistert werden.
Gerne wird Hefe als Hilfsmittel genommen, allerdings verträgt nicht jeder Hefe. Besonders Menschen, deren Magen-Darm-Trakt eh schon angegriffen ist, stellen häufig fest, dass sie sensibel auf dieses Backtriebmittel reagieren. Daher geht es heute darum zu verstehen was Hefe bewirkt und wie man eine ähnliche Wirkung OHNE Hefe erzielen kann.
Wie wird ein Teig locker?
Vermutlich hat fast jeder schon einmal versucht mit glutenhaltigem Mehl zu backen. Beginnen wir also mit dem uns bekannten Verhalten von Weizenmehl um erst einmal zu verstehen, was bei der Teigherstellung vor sich geht.
Weizenmehl ist eigentlich eine tolle Sache: mit Wasser vermischt entsteht zunächst eine zusammenhängende Masse. Wird diese Masse geknetet und bearbeitet, ist das Resultat ein elastischer Teig, der verschiedene Formen annehmen kann.
Der Teig bekommt quasi ein Eigenleben. Wird er zu schnell und zu weit auseinander gezogen, reißt er oder zieht sich wieder zusammen sobald der ausgeübte Druck nachlässt. Wer jedoch die Kunst beherrscht ihn gefühlvoll zu bearbeiten, wie manche (Pizza-) Bäcker zum Beispiel, kann ihn in alle möglichen Formen bringen und ein wunderschönes Gebäck daraus kreieren.
Das Protein Gluten
Das Geheimnis des elastischen Teiges besteht hauptsächlich in dem Proteingemisch (Eiweißgemisch) namens Gluten. Proteine sind sehr launisch und verändern ihr Verhalten abhängig von den Bedingungen in ihrer Umgebung. Salz, Säure, Luft oder Hitze – das Protein wird jedes Mal eine neue Form annehmen.
So ist es auch beim Teig. Kommt das Proteingemisch mit Wasser in Kontakt, bildet es eine neue 3D-Struktur aus.
Gluten ist nicht in Wasser löslich, aber es kann Verbindungen mit Wassermolekülen aufbauen. Durch das Wasser wird das Protein mobilisiert. Die frei werdenden Enden der Aminosäuren räkeln und strecken sich, ähnlich wie eine Krake ihre Beine ausstrecken kann. Sie „suchen“ dabei neue Verbindungspartner. Durch diese neuen Verbindungen entstehen nicht nur neue räumliche Strukturen, sondern auch ein weiter verzweigtes Proteinnetzwerk.
Kneten sorgt dafür, dass die Proteine wiederholt auseinander gezogen werden, sich neu zusammen finden und wieder neu ordnen können. Das stärkt einerseits das Proteinnetzwerk, andererseits werden auch kleine Luftblasen eingeschlossen. Je mehr Luftblasen desto feiner ist anschließend der Teig. Deshalb ist gutes und gefühlvolles Kneten so wichtig, wenn ein lockerer Teig entstehen soll.
Das Backen
Beim Backen, also beim Hinzufügen von Hitze, verdampft das Wasser und es entstehen kleine Dampfblasen, welche durch das Proteinnetzwerk jedoch nicht aus dem Teig entweichen können. Sie werden im Brot zunächst „festgehalten“. Gleichzeitig wird ein Teil des Wassers von den Stärkekörnern, die aebenfalls im Weizenmehl enthalten sind, aufgenommen. Durch das Backen verliert das Proteinnetzwerk (Gluten) seine Elastizität und die eingeschlossenen Dampfblasen platzen, was nach dem Backen an Löchern im Produkt zu erkennen ist.
Das ist das Prinzip vom Urbrot – ohne Backtriebmittel. Bis zu einem gewissen Grad kann also ein lockerer Teig auch OHNE Backtriebmittel hergestellt werden, aber im Vergleich zu unseren heutigen Broten oder Backwaren ist es dicht und schwer verdaulich.
Backtriebmittel Backpulver
Fügt man nun Backtriebmittel hinzu, wird dieser Vorgang einfach verstärkt. Backpulver beispielsweise besteht aus einer basischen und einer sauren Komponente. Im trockenen Zustand passiert nichts, aber wird Wasser bzw. Feuchtigkeit (und häufig ist auch Hitze nötig) hinzugefügt, wird eine chemische Reaktion in Gang gesetzt. Kohlendioxid entsteht und damit Gasblasen, welche ebenfalls vom Proteinnetzwerk im Teig zunächst „festgehalten“ werden. Daher wird der Teig mit Backpulver wesentlich lockerer.
Hefe ist ebenfalls ein Backtriebmittel, wirkt jedoch anders.
Was ist Hefe?
Im Gegensatz zu Backpulver ist Hefe ein lebender Organismus – nämlich ein Pilz. Ihre ursprüngliche wilde Form kommt in der Natur überall vor, vor allem auf Obst. Mit dem bloßen Auge ist sie nicht zu erkennen, weshalb ihre Wirkung eine Zufallsentdeckung war.
Heutzutage wird zum Backen die Backhefe (Saccharomyces cerevisiae) verwendet, die durch Züchtung so verändert wurde, dass sie besonders gute Backeigenschaften aufweist. Diese wird in verschiedenen Formen angeboten. Es gibt Flüssighefe, Trockenhefe, Granulathefe und auch „frische Hefe“, die in Würfel- oder Stangenform im Kühlregal anzutreffen ist.
Backen mit Hefe
Wird Hefe als Backtriebmittel genommen, ist die Teigführung, also die Teigvorbereitung vor dem Backen etwas aufwendiger. Hefe produziert unter optimalen Bedingungen ebenfalls Kohlendioxid (und Alkohol) und somit die gewünschten Luftblasen im Teig. Lässt man den Teig nach dem Kneten ruhen, wird die Hefe ihre Arbeit verrichten. Das von ihr produzierte Kohlendioxid wird in die hineingekneten Luftblasen strömen und das Proteinnetzwerk vorsichtig dehnen. Man sagt der Teig „geht auf“, er erfährt eine Volumenvergrößerung. Allerdings braucht die Hefe dafür etwas Zeit und einen angenehm warmen Ort.
Hefe hat ihre eigenen Ansprüche:
- sie mag es gerne kuschelig warm, aber nicht zu heiß,
- Zucker (Glukose) ist ihre Lieblingsnahrung,
- während sie Salz überhaupt nicht mag.
Temperatur
Die Umwandlung von Zucker in Kohlendioxid und Alkohol erldeigt die Hefe mit Hilfe von Enzymen. Da es sich dabei um eine chemische Reaktion handelt, spielt die Temperatur eine wichtige Rolle. Generell gilt: je höher die Temperatur, desto schneller läuft die Reaktion ab (und umgekehrt). Jedoch gibt es hier eine Einschränkung: spätestens bei 50°C sterben die Hefezellen, bzw. das Eiweiß gerinnt. Von daher sollte ein Hefeteig beim „Gehen“ nicht zu großer Hitze ausgesetzt werden.
Zucker (Glukose)
Die Hefe ernährt sich von Zucker und produziert daraus Energie. Nur mit genügend Energie kann sie sich fortpflanzen.
Salz
Kommen Hefezellen mit Salz in Berührung, werden die Zellen ihr Zellwasser wegen der osmotischen Wirkung abgeben müssen. Abhängig von der Salzkonzentration kann es nur ein bisschen Zellwasser sein, was nicht so schlimm ist, aber zu viel Salz kann zu ihrem Tod führen. Da die Enzymsysteme der Hefe, die das Kohlendioxid und Alkohol produzieren jedoch weiterhin aktiv bleiben (für eine bestimmte Zeit), kann der Teig trotzdem zu einem gewissen Grad aufgehen. Die Hefe kann sich jedoch nicht mehr vermehren, folglich kann der Teig nicht mehr als „Starter“ für andere Teige verwendet werden.
Eine Prise Salz wird fast immer mit ins Brot gegeben, da es die Ausbildung des Proteinnetzwerkes stärkt.
Glutenfreie Brote
Jetzt wissen wir, wie es mit glutenhaltigem Mehl funktioniert, doch wie sieht es mit glutenfreiem Mehl aus?
Wer den Anspruch stellt aus glutenfreiem Mehl ein Brot herzustellen, das genauso ist wie ein Brot aus glutenhaltigem Mehl, wird viel üben und ausprobieren müssen. In vielen Rezepten wird eine Vielzahl von verschiedenen Mehlen verwendet. Dabei hat jedes Mehl seine eigene Eigenschaft. Manche Mehle sollen den Proteinbeitrag leisten, andere sollen die Stärke mit einbringen und als „Gluten-Ersatz“ sind in manchen Rezepte Zutaten wie Xanthan Gum, Guarkernmehl, Pfeilwurzelstärke oder ähnliches enthalten. Es gibt auch fertige Mehlmischungen für glutenfreies Backen zu kaufen, die diese Komponenten schon im richtigen Verhältnis enthalten.
Die Mehlmischungen können fast wie „normales“ Mehl verwendet werden. Auch ein Hefeteig kann hergestellt werden.
Es geht auch ohne Hefe!
Bei manchen Darmerkrankungen, unter anderem bei Darmpilzen, wird Hefe von einigen Individuen nicht vertragen. Deshalb sind hier einfache Rezepte mit glutenfreien Mehlen, die auch ohne Hefe und Xanthan Gum (oder ähnliches) funktionieren.
Da ich meistens zu faul bin viele verschiedene Mehle zusammenzumischen, ist hier nur ein Mehl anzutreffen, nämlich Buchweizenmehl:)
Ein kleiner Hinweis noch: Darmpilze werden nicht von der Bäckerhefe verursacht. Wer mit Darmpilzen zu kämpfen hat, ist meistens mit dem Pilz „Candida albicans“ konfrontiert. Aber der Körper, der durch den Pilz geschwächt ist, reagiert dann häufig sehr empfindlich auf alle Pilze, weshalb es da angebracht sein kann auf Hefe zu verzichten.
Ein sehr schön einfaches und schnelles Rezept auf der Grundlage von Joghurt und Buchweizen ist hier zu finden. Als Backtriebmittel wird dabei Backpulver verwendet.
Rezept – Glutenfreies Buchweizenbrot mit Joghurt
Wer etwas mehr Zeit hat kann sich das Wunder der Natur zu Nutze machen und einfach nur mit Buchweizen und Wasser ein ebenso leckeres Brot herstellen. Das Rezept dazu findet ihr hier.
Rezept – Glutenfreies, fermentiertes Buchweizenbrot
Wer lieber Brötchen isst, aber auch diese ohne Hefe zubereiten möchte, sollte mal dieses köstliche Rezept probieren:
Rezept – Gekeimter Buchweizen als Brötchen – vegan & glutenfrei
Diese Brötchen dagegen sind auch OHNE Hefe, diesmal auch OHNE Buchweizen und low carb:
Rezept – Glutenfreie Low Carb Brötchen OHNE Nüsse und OHNE Hefe
Fazit
Glutenfreies Backen ohne Hefe ist durchaus möglich. Manchmal erfordert es etwas mehr Zeit und Übung, aber im Endeffekt wird es sich lohnen.
Vielleicht sollte man auch eine neue Herangehensweise versuchen. Das Ziel sollte sein ein leckeres Brot zu bekommen und nicht, dass es genauso ist, wie ein glutenhaltiges Brot. Ein Mensch ist auch nicht gleich Mensch – jeder ist ein Individuum. Genauso ist es auch mit dem Mehl – Mehl ist nicht gleich Mehl. Jedes Mehl hat das Recht seine eigenen Eigenschaften zu haben, was auch gut so ist.
Aber was für mich lecker ist, muss natürlich nicht jedem schmecken – das muss jeder für sich herausfinden.
Hiermit wünsche ich euch viel Spaß beim Backen!
Liebe Elisabeth,
vielen Dank für deinen Kommentar. Das klingt ja wirklich interessant! Hast du ein Rezept für deine „Wildhefe“? Wie lange muss man das am Anfang stehen lassen?
Welches Mehl verwendest du meistens? Oder machst du eine Mischung aus verschiedenen Mehlen? Klingt ja wirklich toll was du da machst!
Liebe Grüße,
Denise
Liebe Denise, der anfängliche Ansatz muss etwas länger stehen bleiben, ich meine, bis zu 3 Tagen kann das schon dauern. Irgendwann fängt es an zu blubbern und die Rosinen steigen an die Oberfläche, weil sich durch die Gärung Sauerstoff bildet – der Ansatz sollte jetzt fertig sein. Im Netz kursieren verschiedene Anleitungen, ich meine, die vom Brotbackforum als Orientierung genommen zu haben. Statt der Rosinen kann man auch andere Trockenfrüchte verwenden, z. B. Aprikosen. Übrigens die Rosinen lasse ich im Ansatz stehen, seihe sie also nicht ab, denn auf der Oberfläche haften besonders viele Hefen. Im Moment verwende ich hauptsächlich… Weiterlesen »
Liebe Elisabeth,
wow, das klingt richtig gut! Das muss ich auch unbedingt mal ausprobieren! Vielen Dank für die vielen Tipps!!
Das mit dem Reis ist auch eine super Idee!! Echt toll!! :)
Liebe Grüße,
Denise
Und gleich noch ein weiterer Tipp :-)): Stellt man das fertige Wildhefewasser in den Kühlschrank, so setzt sich am Boden bald ein hellbeiger Satz ab. Bevor ich nun meinen Vorteig mache, schüttele ich die Wildhefe solange gut durch, bis der Satz sich verteilt hat. Ich nehme an, dass dieser Satz nichts anderes als Hefe ist, und die möchte ich ja im (Vor)teig haben. Meine Erfahrung ist jedenfalls die, dass der Teig mehr Trieb hat, wenn ich vorher gut schüttel. Beim Schütteln zwischendurch auch mal kurz öffnen – es entweicht einiges an Kohlensäure. Und noch ein Tipp :-))): Jetzt fängt doch… Weiterlesen »
Liebe Elisabeth,
vielen herzlichen Dank für die zahlreichen Tipps!! Wirklich klasse!! DANKE!
In der Tat, Federweiser riecht hefig und ich weiß auch von einigen, dass sie den nicht vertragen gerade wegen der Hefe. Also falls du es ausprobieren solltest, teile gerne deine Erfahrungen!:)
Ein schönes Wochenende wünsche ich dir! :)
In letzter Zeit backe ich sehr häufig/überwiegend mit so genannter „Wildhefe“. Herangezogen habe ich sie mit Hilfe von Rosinen und unerhitztem, naturbelassenem Honig. Mittlerweile gieße ich den Rest Ansatz nur noch mit naturtrübem Apfelsaft auf, lasse das Ganze einen Tag lang stehen, danach kommt mein „Hefewasser“ wieder in den Kühlschrank. Meist mache ich mir einen Vorteig aus 100 ml Hefewasser und der gleichen Menge Mehl, wobei ich den Vorteig gut warm gehen lasse. Auf diese Weise entwickelt er mächtig Trieb, so dass der Hauptteig dann ebenfalls sehr zuverlässig und ohne weitere Triebmittel geht.