Es ist trüb, kalt, nass und grau – da will man sich doch am liebsten unter eine Decke verkriechen und mit seinem Lieblingsmenschen kuscheln, oder? Und genau das sollten wir auch tun! Kuscheln stärkt nämlich nicht nur das Immunsystem, sondern lässt uns auch Glückshormone ausschütten. Man muss dazu nicht gleich stundenlang kuscheln – eine Umarmung bringt auch schon viel – Hauptsache man wird liebevoll berührt. Eine feste Umarmung eines geliebten Menschen ist einfach das beste Mittel gegen einen schlechten Tag.
Was passiert da in unserem Körper? Warum tut es so gut?
Was macht Kuscheln mit uns?
Der Mensch ist von Natur aus auf Berührung ausgelegt. Das beginnt in der wohligen Enge des Mutterbauchs und spielt auch danach in der Kindesentwicklung eine wesentliche Rolle. Berührungen, Massagen und Umarmungen werden heute mit einer ganzen Reihe von positiven Effekten in Zusammenhang gebracht.
Warum fühlt sich Kuscheln gut an?
Berührungen werden über die Haut – unserem größten Organ – wahrgenommen. Unsere Haut hat unheimlich viele Rezeptoren über die wir unsere Umgebung erfühlen können. So spüren wir über unsere Haut Wärme, Kälte, Strukturen, Texturen und Druck, aber auch die Richtung und Geschwindigkeit von Berührungen. Die Haut-Rezeptoren geben Signale über Nervenbahnen an das Gehirn weiter. Dabei geht es nicht nur um harte Fakten wie: wie groß ist der Druck und wo kommt dieses Signal her, sondern auch emotionale Bewertungen werden hier transportiert – ob das ein angenehmes Gefühl ist oder nicht.
Im Gehirn führt eine positive Berührung zur Ausschüttung eines Hormons namens Oxytocin.
Das Geheimnis heißt Oxytocin, auch „Kuschelhormon“ genannt
Als wehenauslösendes Hormon ist Oxytocin schon länger bekannt. Auch nach der Geburt hat es Aufgaben wie die Milchbildung und die Rückbildung der Gebärmutter nach der Schwangerschaft voranzutreiben. Aber nach und nach zeigte sich, dass dieses Hormon noch so viel mehr kann. Es ist für die Bindung zwischen Mutter und Kind bzw. generell von Menschen wichtig und wird deshalb auch gerne als „Kuschelhormon“ bezeichnet.
In den 1960ern war man der Meinung, dass die starke Bindung zwischen Mutter und Baby darauf zurückzuführen wäre, dass die Mutter es stillte bzw. Nahrung zur Verfügung stellte. Doch dem ist nicht so, wie Harry Harlow in seinen Experimenten zeigte1.
Er nahm Affenbabys kurz nach der Geburt von ihrer Mutter weg und hatte zwei „Ersatzmütter“ für sie gebaut. Die eine Mutter war nur aus Draht, gab jedoch Milch und die andere Mutter hatte noch eine Art Waschlappen oder Tuch über sich, gab jedoch keine Milch. Die Affenbabys kuschelten sich immer an die „Mutter“ mit dem Waschlappen. Die Kleinen gingen lediglich zum Trinken kurz rüber zur anderen „Mutter“.
Wie man sieht, ist es also nicht das Futter, was die Bindung beeinflusst. Man fand heraus, dass das Hormon Oxytocin bei Berührungen ausgeschüttet wird und die Bindung zwischen Mutter und Kind fördert2.
Das Kuschelhormon hat auch Auswirkungen auf das Sozialverhalten
Aber nicht nur direkt nach der Geburt, sondern auch für das Sozialverhalten im späteren Leben ist Kuscheln unheimlich wichtig. Harry Harlow sah in seinen Experimenten, dass Affenbabys, die ohne mütterliche Nähe aufwuchsen, Verhaltensstörungen zeigten. Sie reagierten teilweise gar nicht auf Außenreize, saßen apathisch in einer Ecke und verarmten emotional.
Früher dachte man, dass Babys kurz nach der Geburt noch nicht kommunizieren könnten und dass man sie durchaus mal schreien lassen sollte. Die Bindung würde erst aufgebaut, wenn das Kind alt genug sei zu kommunizieren. Doch Studien haben diese Einstellung widerlegt3.
Epigenetik spielt auch eine Rolle
So wurde gezeigt, dass das Urvertrauen durch einen höheren Oxytocin-Level gestärkt und bereits kurz nach der Geburt aufgebaut wird. Hier kommt auch wieder die Epigenetik ins Spiel. In einem Versuch wurde die Oxytocin Menge (bzw. die Ausprägung, wie viele Rezeptoren gebildet werden) bei Mutter und Kind untersucht. Dazu wurde der Oxytocin-Level beim Spielen einmal im Alter von 5 Monaten bestimmt und später nochmal im Alter von 18 Monaten wiederholt.
Die Mütter, die sich intensiv mit ihren Kindern beschäftigten und mit ihnen spielten, hatten das Potenzial das Oxytocin-System bei ihren Kindern zu erhöhen. Spielte die Mutter jedoch lieber mit anderen Kindern oder beschäftigte sich nicht mit ihrem eigenen Kind, so konnte man das an der Rezeptormenge im Kind später ablesen. Diese Kinder bildeten nämlich weniger Oxytocin-Rezeptoren und hatten folglich einen niedrigeren Oxytocin-Level. Interessanterweise waren es auch diese Kinder, die temperamentvoller und weniger ausgeglichen waren.4
Hier sieht man wieder wie die Umwelt durchaus Einfluss auf unser Hormonsystem hat. Diese Rezeptoren sind nämlich auf unseren Genen vorhanden, aber ob die Gene auch abgelesen werden, liegt an der einzelnen Situation.
Auch Väter bilden Oxytocin
Übrigens gilt das nicht nur für Mütter – auch Väter bilden Oxytocin und können eine Bindung zu ihrem Kind aufbauen.
Oxytocin mindert Stress
Das „Kuschelhormon“ kann sogar Stresssymptome lindern. Durch die Ausschüttung von Oxytocin nach einer angenehmen Berührung werden Stresshormone im Körper abgebaut. Das reduziert nicht nur Ängste, sondern stärkt auch das Abwehrsystem (Immunsystem).
Oxytocin gegen PTSD?
Menschen, die etwas Schlimmes oder Traumatisches erlebt haben, kommen oft nicht davon los. Jahre später können sie noch von Angst, innerer Unruhe, Vermeidungsverhalten oder ähnlichem geplagt sein. Manche werden auch mit dem posttraumatischen Stresssyndrom (PTSD) diagnostiziert.
Oxytocin soll hier eventuell Linderung verschaffen können. Erste positive Ergebnisse konnten mit Oxytocin, welches über ein Nasenspray verabreicht wurde, bereits vermeldet werden.5;6
Es gibt „professionelle Kuschler“
Aber Kuscheln ist doch auch einfach nur schön, oder nicht?!
Sich auf der Couch, im Bett, vorm Ofen oder wo auch immer einfach mal an jemanden anzukuscheln tut unheimlich gut! Besonders nach einem anstrengenden Tag kann so eine Umarmung bzw. Berührung Wunder wirken.
Wie wichtig körperliche Berührungen sind, sieht man auch daran, dass es das als Beruf gibt. Ja, du hast richtig gelesen: man kann mit Kuscheln Geld verdienen. Diese „Kuschler“ werden auch gerne in Altenheimen gebucht, damit die älteren Menschen mal wieder Körperkontakt haben.
Fazit
Kuscheln ist einfach schön! Es stärkt die Bindung sowohl in der Partnerschaft als auch innerhalb der Familie.
Deshalb plädiere ich dafür, dass jeder mindestens 4 Mal pro Tag in den Arm genommen werden sollte. Gerade jetzt in der doch teilweise stressigen Weihnachtszeit tut es gut. Man muss ja nicht gleich eine Stunde Kuscheln, aber einfach mal die körperliche Nähe zu spüren, kann wirklich Wunder wirken!
Quellen
1Tavris, C. A. (2014). Teaching contentious classics. The Association for Psychological Science.
2Kendrick, K. M. (2000). Oxytocin, motherhood and bonding. Experimental physiology, 85(s1), 111s-124s.
3Olff, M., Frijling, J. L., Kubzansky, L. D., Bradley, B., Ellenbogen, M. A., Cardoso, C., … & van Zuiden, M. (2013). The role of oxytocin in social bonding, stress regulation and mental health: an update on the moderating effects of context and interindividual differences. Psychoneuroendocrinology, 38(9), 1883-1894.
4Kathleen M. Krol, Robert G. Moulder, Travis S. Lillard, Tobias Grossmann, Jessica J. Connelly. Epigenetic dynamics in infancy and the impact of maternal engagement. Science Advances, 2019 DOI: 10.1126/sciadv.aay0680
5Donadon, M. F., Martin-Santos, R., & Osório, F. D. L. (2018). The associations between oxytocin and trauma in humans: a systematic review. Frontiers in pharmacology, 9, 154.
6Frijling, J. L. (2017). Preventing PTSD with oxytocin: effects of oxytocin administration on fear neurocircuitry and PTSD symptom development in recently trauma-exposed individuals. European journal of psychotraumatology, 8(1), 1302652.