Diese Frage stellen sich viele Menschen. Wer ist dick, wer ist übergewichtig, wer ist adipös? In Studien und Medien wird diese Frage häufig mit dem BMI (Body Mass Index) beantwortet. Kann man sich auf dieses Bewertungssystem verlassen?
Die Weihnachtszeit ist vorbei und ich hoffe ihr seid auch alle gut ins neue Jahr gekommen! Das neue Jahr ist für viele ein Grund etwas Neues zu starten – viele sind voller Euphorie und wollen etwas ändern. Zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen zählen Abnehmen und mehr Sport treiben. Die wenigsten sind mit ihrem Körper zufrieden.
Während Sport treiben immer eine gute Sache ist und sich positiv auf den Körper auswirkt, sind Diäten nicht unbedingt zielführend. In sämtlichen Medien locken Versprechen in möglichst kurzer Zeit viele Kilogramm Körpergewicht zu verlieren. Von diesen kurzfristigen „Radikal-Diäten“ halte ich persönlich nicht viel. Wer alten Gewohnheiten entfliehen will, muss die Ernährung langsam aber dafür langfristig umstellen. Meistens purzeln die Pfunde dabei von ganz alleine.
Doch häufig stellt sich trotzdem die Frage: wer muss bzw. sollte tatsächlich abnehmen? Wer ist aufgrund seines Übergewichts wirklich gesundheitlich gefährdet und wer ist nur streng mit sich und seinem Aussehen?
Könige der Wellen … heute nicht mehr „in“
Früher war es „schick“ einen ordentlichen Bauch vor sich her zu schieben. Auf sämtlichen Gemälden wird der König mit einem großen Körperumfang dargestellt, was Wohlstand symbolisieren soll. Er konnte sich viel Nahrung leisten.
Heutzutage ist das schlanke Körperbild eher gefragt. In jeder Zeitschrift werden Methoden zum Abnehmen angepriesen, so dass man automatisch auf die Frage gestoßen wird: muss ich abnehmen oder darf ich zufrieden sein mit meinem Körper?
Was ist Übergewicht? Warum ist Übergewicht ungesund?
Die simpelste Definition von Übergewicht ist folgende:
Person X hat zu viel Körperfett – und zwar so viel, dass es die Gesundheit gefährden könnte1.
Übergewicht gilt als Risikofaktor für2
- Diabetes,
- Herz-Kreislauferkrankungen (Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt, etc.),
- Schlafapnoe,
- Krebs,
- nicht-alkoholische Fettleber,
- Osteoarthritis und
- andere Krankheiten.
Weiterhin wird Übergewicht mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate und deutlich höheren Gesundheitskosten in Verbindung gebracht. Nicht zuletzt auch weil starkes Übergewicht (Adipositas = Fettsucht) im Arbeitsalltag eine deutliche Behinderung bedeuten kann2.
Die WHO schreibt auf ihrer Seite, dass weltweit betrachtet Übergewicht und Adipositas für mehr Todesfälle verantwortlich sind als Untergewicht. Es sind mehr Menschen übergewichtig als untergewichtig (ausgenommen Afrika (südlich der Sahara) und Asien)1.
Das „Problem“ der Wohlstandsgesellschaft sollte also nicht auf die leichte Schulter genommen werden – Übergewicht ist ein schwerwiegendes Problem (im wahrsten Sinne des Wortes).
Aber die große Frage bleibt weiterhin offen: WER bzw. WANN hat man ZU viel Körperfett?
Um diese Frage (hoffentlich) beantworten zu können, wurde der Body-Mass Index ins Leben gerufen.
Was ist der Body-Mass Index?
Der Body-Mass Index gibt das Verhältnis zwischen Körpergewicht und dem Quadrat der Körpergröße an. Die Einheit ist folglich kg/m².
Formel: Körpergewicht / (Körpergröße)²
Die Formel kann jeder zu Hause anwenden – dafür muss man nicht Mathematik studiert haben. Aber die Interpretation des Ergebnisses ist das Spannende an dieser Aufgabe. Was sagt mir die Zahl, die anschließend heraus kommt?
Die WHO gibt einen Wert zwischen 18,5 kg/m² und 24,9 kg/m² als normalgewichtig an3.
Werte über 25 bedeuten, dass man übergewichtig ist – es gibt noch die Unterscheidung zwischen übergewichtig und adipös (Adipositas = Fettsucht), aber einen Wert über 25 möchte man laut dieser Tabelle nicht haben3.
- unter 18,5 kg/m² – untergewichtig
- 18,5 – 24,9 kg/m² – normalgewichtig
- 24,5 – 29,9 kg/m² – übergewichtig
- 30 kg/m² und mehr – fettsüchtig / adipös
Grenzen des BMI
Diese mathematische Formel sollte nur als Anhaltspunkt gesehen werden. Er wurde ursprünglich entwickelt um eine Bevölkerungsgruppe im Rahmen einer Studie einordnen zu können und nicht um ein Individuum zu bewerten.
Wie wir ja wissen, sind wir alle einzigartig, weshalb eine mathematische Formel selten für alle gelten kann. Und so ist es auch: auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit wird darauf hingewiesen, dass der BMI nicht zur Beurteilung von Schwangeren, stillenden Müttern, Leistungssportlern und Bodybuildern genutzt werden sollte4.
BMI gilt NICHT für Schwangere, stillende Mütter, Leistungssportler und Bodybuilder
Der BMI misst NICHT den Fettgehalt im Körper, er unterscheidet auch nicht zwischen Fett und Muskeln2. Er setzt nur das Körpergewicht und die Körpergröße ins Verhältnis.
So können zwei Personen denselben BMI haben, aber einen ganz unterschiedlichen Körperbau. Ein Bodybuilder beispielsweise hat viele schwere Muskeln und wird laut BMI meist als übergewichtig eingestuft. Dabei kann er eine unheimlich geringe Fettmasse haben.
Faktoren wie Geschlecht, ethnische Herkunft, Alter und Fitness fließen in die Berechnung des BMIs nicht mit ein. Der BMI sollte also nur als Anhaltspunkt und nicht als „Gesetz“ gesehen werden.
Zur Info nebenbei:
Bei einer Metastudie wurde eines deutlich:
Unabhängig von BMI und ethnischer Herkunft sinkt die Sterblichkeitsrate wenn man sich mehr bewegt2. Mit anderen Worten:
Bewegung rettet Leben
Die Verwirrung um den BMI
BMI – Body Mass Index sagt nichts über die körperliche Fitness aus.
Eine große Diskussion wurde losgetreten, als verschiedene Studien zu dem Ergebnis kamen, dass Übergewicht unter gewissen Umständen sogar eine längere Lebensdauer bedeuten könnte5;2.
Dieses Ergebnis sollte jedoch mit Vorsicht genossen werden. Das soll kein Freifahrtsschein zum Schlemmen sein. Vielmehr geht es hier wieder um die Grenzen des BMI bzw. um die Diskussion ab wann Übergewicht tatsächlich Schaden anrichtet.
Natürlich könnte man auch die Methoden der einzelnen Studien in Frage stellen, denn dort gibt es auch sehr große Unterschiede. So gibt es zum Beispiel Studien, die beruhen nur auf den Aussagen der Teilnehmer, d.h. der Teilnehmer gibt an wie groß und wie schwer er ist (oder glaubt zu sein). Da kann man sich gut vorstellen, dass die Angaben nicht immer ganz akkurat sind ;) Das ist nur eine von vielen Fragen, die man sich stellen muss bevor man dem Ergebnis einer Studie glaubt.
Aber zurück zum BMI: der BMI setzt nur das Gewicht ins Verhältnis zur Körpergröße. Was er gar nicht beachtet ist, wie oben schon erwähnt, ob die Kilogrammzahl aufgrund von viel Muskelmasse oder aufgrund von viel Fettmasse zustande kommt.
Auch wird die Verteilung der Fettmasse nicht beachtet. Studien haben gezeigt, dass Fett nicht gleich Fett ist. Je nachdem wo der Körper die Fettmasse anbaut, kann sie gefährlicher oder nicht ganz so gefährlich sein2.
Auch haben nicht alle Übergewichtigen einen „ungesunden“ Stoffwechsel genauso wie nicht alle schlanken Menschen einen „gesunden“ Stoffwechsel haben.
So kann ein schlanker Mensch durchaus gesundheitsgefährdet sein, wenn er viel viszerales Fett hat (Fett um die Eingeweide) und sein Stoffwechsel nicht optimal funktioniert. Diese Person kann laut dem BMI „normal“ sein, aber das eingelagerte Fett, was auf den ersten Blick nicht zu sehen ist, macht die Person krank.
Fazit
Übergewicht ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die Berechnung des BMI ist dabei nur als Anhaltspunkt gedacht.
Wer viele Muskeln hat, muss sich (meistens) keine Gedanken machen, wenn sein BMI-Wert etwas erhöht ist, er sich aber sonst rundum fit fühlt.
Ein Bürohengst, der sich kaum bewegt und vielleicht auch schon unter Kurzatmigkeit leidet, sollte sich vielleicht mehr Gedanken machen.
Aber der BMI ist wieder nur 1 Puzzleteil von vielen. Ein hoher BMI alleine macht noch lange nicht „krank“ oder gefährdet. Genauso wenig bedeutet ein BMI-Wert im „Normalbereich“, dass man kerngesund ist.
Versucht ehrlich zu euch zu sein und lasst euch nicht von der Zahl auf der Waage verunsichern. Wenn ihr euch fit fühlt, euren Alltag ohne große Probleme bewältigen könnt, dann scheint ihr ja etwas richtig zu machen. Sollte der BMI leicht erhöht sein, dann redet vielleicht mal mit eurem Arzt darüber. Er kann euch hoffentlich sagen, ob ihr euch Gedanken machen müsst oder nicht.
Sportliche Betätigung ist aber immer gut und stärkt das Immunsystem. Von daher sollte dieser Neujahrsvorsatz mit aller Kraft über das Jahr erhalten bleiben :) Ob man dabei abnehmen MUSS, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Quellen
1World Health Organisation, Obesity and overweight. Factsheet 311, updated June 2016 , aufgerufen 01.12.2016 https://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs311/en/
2Ahima, Rexford S. and Lazar, Mitchell A., The Health Risk of Obesity – Better Metrics Imperative, Science 2013: Vol. 341, Issue 6148, pp. 856-858 doi: 10.1126/science.1241244
3Winter, Jane E., MacInnis, Robert J., Wattanapenpaiboon, Naiyana and Nowson, Caryl A., BMI and all-cause mortality in older adults: a meta-analysis, American journal of clinical nutrition 2014, vol. 99, no. 4, pp. 875-890, doi: 10.3945/ajcn.113.068122.
4https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/essstoerung/selbsttest.html
5Flegal KM, Kit BK, Orpana H, Graubard BI. Association of All-Cause Mortality With Overweight and Obesity Using Standard Body Mass Index CategoriesA Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2013;309(1):71-82. doi:10.1001/jama.2012.113905