Vermutlich würde mir fast jeder zustimmen, wenn ich sage: ergänzende Kalziumzufuhr begünstigt eine höhere Knochendichte und –stärke und schützt somit vorbeugend gegen Osteoporose. Das wird schon seit Jahren propagiert.
Mehr als 60% der US-Frauen im mittleren Alter und älter nehmen regelmäßig Kalziumpräparate zu sich1.
Verunsichert wurden Fachleute (und auch andere) als Studien zeigten, dass eine erhöhte ergänzende Kalziumzufuhr zur Erkrankung der Herzkranzgefäße und Herzinfarkt führen würde.
Muss ich mich nun entscheiden: entweder ein gesundes Herz oder gesunde Knochen?!
Kalzium als Supplementierung
Kalzium hat sich zu einem äußerst populären Nahrungsergänzungsmittel entwickelt. Männer, aber vor allem Frauen, nehmen es in der Hoffnung Osteoporose vorbeugen zu können1. Kalzium ist der am stärksten vertretene Mineralstoff des menschlichen Körpers und zählt zu den sogenannten Mengenelementen.
Der größte Teil (ca. 99%) befindet sich in unseren Knochen und Zähnen. Dort ist es in Form von Kalziumphosphatverbindungen gespeichert und sorgt für die Festigkeit dieser Strukturen. Die restlichen 1% befinden sich im Blut und in den Zellen.
Kalzium ist unverzichtbar
Sowohl an der Reizübertragung von Nervenimpulsen als auch an der Muskelkontraktion ist dieses Mineral maßgeblich beteiligt. Aber es übernimmt auch Aufgaben bei verschiedenen Signalkaskaden und der Blutgerinnung.
Kurz: Kalzium ist unverzichtbar. Die Frage ist nur: muss ich Kalzium ergänzend zur normalen Ernährung zu mir nehmen?! Oder reicht die Menge, die ich über die Nahrung bekomme?
Hilft Kalzium-Supplementierung überhaupt gegen Osteoporose?
Was ist Osteoporose?
Osteoporose ist eine Erkrankung des Skeletts, die sich durch eine geringe Knochenmasse und Verschlechterung des Knochenaufbaus kennzeichnet. Die Folge ist eine Zunahme von Knochenbrüchen.
Knochen unterliegen ständigen Auf- und Abbauprozessen. In Kindheit und Jugend überwiegt der Knochenaufbau bis zwischen dem 25. und 30. Lebensjahr die maximale Knochenmineraldichte erreicht ist4. Danach gibt es trotzdem weiterhin Auf- und Abbauprozesse, aber in Summe wird eher abgebaut als aufgebaut. Nach der Menopause ist die Verlustrate bei Frauen besonders hoch, was unter anderem an dem niedrigen Östrogenspiegel liegt. Aber auch Bewegungsmangel, Alkoholkonsum, Vitamin D-Mangel und andere Faktoren beeinflussen diesen Prozess4.
Eine unzureichende Kalziumzufuhr kann ebenfalls das Risiko erhöhen an Osteoporose zu erkranken .
Hilft eine Kalzium-Supplementierung bei Osteoporose?
Entscheidend für den Erhalt der Knochenmasse ist eine ausgeglichene Kalziumbilanz. Aber der Kalziumstoffwechsel ist nicht alleine von der Kalziumzufuhr abhängig. Die Analyse verschiedener Studien hat gezeigt, dass Kalzium-Supplementierung nicht das Risiko für Knochenbrüche verringern würde5.
Kalzium in Tablettenform verringert NICHT das Risiko für Knochenbrüche
Weitere Untersuchungen zeigen, dass die Einnahme von Kalziumpräparaten, wie von vielen älteren Menschen praktiziert, das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere Herzinfarkt, erhöhen6.
Wie kann das sein?!
Schauen wir uns mal an, was der Körper damit macht.
Man kann sich das vielleicht so vorstellen (ganz vereinfacht dargestellt):
Der Kalziumstoffwechsel ist ein sehr fein regulierter Stoffwechsel – der Körper achtet tunlichst genau darauf, dass weder zu viel noch zu wenig Kalzium im Blut vorhanden ist. Da wir Menschen aber nun der Meinung sind, wir würden über die Nahrung nicht genug Kalzium aufnehmen, versuchen wir den Körper davon zu überzeugen, dass er konzentriertes Kalzium aus einer Tablette aufnehmen sollte. Um ihn zu überreden, dass er mehr Kalzium aufnimmt, wird vielen Präparaten Vitamin D hinzugefügt (oder der Arzt verschreibt es zusätzlich). Dieses sorgt dafür, dass mehr Kalzium ins Blut transportiert wird.
Aber nun ist dieses „neue“ Kalzium im Blut, vielleicht sogar etwas mehr als der Körper für nötig hält. Das Kalzium weiß aber nicht wo es hin soll. Er ist in den „Raum“ eingetreten, aber ein „Führer“ wäre nun ganz nett, ähnlich wie wenn man in eine neue Firma kommt. Aber dieser Führer kommt nicht. Daher beschließt das Kalzium in den Gefäßen zu bleiben bis ihm jemand den Weg zeigt.
Allerdings bedeutet dies im Klartext, dass er sich dort ablagert. Wie gesagt, zu viel Kalzium im Blut ist nicht gut – verschiedene Hormonsysteme bewachen diesen Faktor rund um die Uhr, was wiederum zeigt wie wichtig das richtige Verhältnis ist.
Wird das Kalzium nicht abtransportiert hat es zur Folge, dass die Arterien „verkalken“ – Arteriosklerose oder Herzinfarkt sind das Ende vom Lied.
Das ist jetzt eine sehr vereinfachte Darstellung, aber ich hoffe du verstehst ungefähr was ich meine.
Das Zusammenspiel gibt uns starke Knochen
Zuerst möchte ich nochmal klar stellen, dass es hier ausschließlich um substituiertes Kalzium geht, also Kalzium, dass in Tablettenform (oder in anderer Form) ergänzend zur normalen Ernährung zugeführt wird.
Kalzium aus natürlichen Nahrungsmitteln ist kein Problem
Wird der Mineralstoff ausschließlich über die Ernährung zugeführt, scheint es keine Probleme zu geben1.
Was können wir also tun damit unsere Knochen stark bleiben?!
Der Kalziumstoffwechsel hängt nicht alleine von der Kalziumzufuhr ab. Es sind noch viele weitere kleine Helferlein nötig. Dazu gehören unter anderem Magnesium, Kalium, Vitamin C und auch Vitamin K – besonders Vitamin K2.
Diese Helferlein bekommen wir durch den Verzehr von reichlich Obst und Gemüse7. Entgegen vieler Meinungen, dass man ohne Milchprodukte nicht genügend Kalzium aufnehmen könnte, kann man sehr wohl auch mit einer veganen Ernährung auf seine tägliche Kalziummenge kommen.
ABER: man kann sich nicht nur von Fast-Food ernähren. Obst und Gemüse in großen Mengen und am besten so abwechslungsreich wie Möglich – das ist das Geheimnis! :)
Kurzer Exkurs: Was ist Vitamin K?
Neuere Studien zeigen, dass dieses Vitamin das Kalzium „herumführt“ und dafür sorgt, dass es nicht orientierungslos im Blut bleibt.
Vitamin K (K steht für Koagulation) ist ein fettlösliches Vitamin, welches essentiell für die Blutgerinnung ist. Die Synthese verschiedener Blutgerinnungsfaktoren ist Vitamin-K-abhängig, weshalb ein Vitamin-K-Mangel zu Blutungen führen kann. Die Unterarten von Vitamin K waren anfangs nicht bekannt, aber nun weiß man, dass dieses Vitamin eine Gruppe ist (ähnlich wie die B-Vitamine). Für den Menschen scheinen allerdings nur Vitamin K1 und Vitamin K2 von Bedeutung zu sein.
Die Hinweise verdichten sich, dass Vitamin K2 die Arterien vor Verkalkung und somit auch gegen Herzinfarkt schützt. Es hilft dabei das Kalzium an der richtigen Stelle im Körper einzubauen2.
Vitamin K findet man natürlicherweise in grünem Gemüse, Eiern, fermentierten Nahrungsmitteln wie Käse und Joghurt, manchen Fleischsorten und die Bakterien in unserem Darmtrakt produzieren es. Die bei weitem ergiebigste, für die Ernährung genutzte Vitamin K2-Quelle (MK-7) ist Natto, ein fermentiertes Sojabohnenprodukt aus Japan2. Dieses traditionelle Gericht ist sehr bekömmlich und wird hierzulande teilweise als „Heilmittel für Herz- und Gefäßerkrankungen“ beworben.
Fazit
Kalzium ist wichtig für die Knochengesundheit. Aber ob man Kalziumtabletten vorbeugend gegen Osteoporose nehmen sollte, bleibt zu diskutieren. Momentan scheint das nicht der Fall zu sein.
Besser ist es Kalzium über natürliche Nahrungsmittel aufzunehmen und nicht den Kalziumstoffwechsel durch Nahrungsergänzungsmittel durcheinander zu bringen.
Wer weiß, vielleicht verstärkt man ein Defizit dadurch nur?!
Kalzium in Kombination mit viel Obst und Gemüse und damit einhergehender ausreichender Zufuhr von Kalium, Magnesium, Vitamin C und Vitamin K, ausreichender Bewegung an frischer Luft und somit auch Vitamin D-Versorgung, sowie eine angemessene Proteinzufuhr sind gute Mittel sich vor Osteoporose zu schützen.
Bei einem nachgewiesenen Mangel, sieht das natürlich anders aus. Wenn der Arzt einen deutlichen Mangel eines bestimmten Stoffes feststellt, kann es natürlich hilfreich sein zeitweise einen isolierten Nährstoff zu sich zu nehmen. Aber das sollte wie gesagt, in Absprache mit dem Arzt geschehen.
Ansonsten versuche die Signale deines Körpers zu deuten. Wenn du deinen Körper gut kennst, dann wirst du feststellen, dass er häufig das richtige signalisiert. Wir müssen nur lernen ihn zu lesen – und wir müssen den Mut haben auf unser Gefühl zu hören. :)
Quellen
1Michaëlsson, K., Melhus, H., Lemming, E. W., Wolk, A., & Byberg, L. (2013). Long term calcium intake and rates of all cause and cardiovascular mortality: community based prospective longitudinal cohort study. Bmj, 346, f228.
2Maresz, K. (2015). Proper calcium use: vitamin K2 as a promoter of bone and cardiovascular health. Integrative Medicine: A Clinician’s Journal, 14(1), 34.
3Xiao, Q., Murphy, R. A., Houston, D. K., Harris, T. B., Chow, W. H., & Park, Y. (2013). Dietary and supplemental calcium intake and cardiovascular disease mortality: the National Institutes of Health–AARP diet and health study. JAMA internal medicine, 173(8), 639-646.
4Keller, M., & Leitzmann, C. (2013). Vegetarische Ernährung. 3. Aufl. Stuttgart: UTB.
5Bischoff-Ferrari, H. A., Dawson-Hughes, B., Baron, J. A., Burckhardt, P., Li, R., Spiegelman, D., … & O’Reilly, E. (2007). Calcium intake and hip fracture risk in men and women: a meta-analysis of prospective cohort studies and randomized controlled trials–. The American journal of clinical nutrition, 86(6), 1780-1790.
6Li, K., Kaaks, R., Linseisen, J., & Rohrmann, S. (2012). Associations of dietary calcium intake and calcium supplementation with myocardial infarction and stroke risk and overall cardiovascular mortality in the Heidelberg cohort of the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition study (EPIC-Heidelberg). Heart, 98(12), 920-925.
7New, S. A. (2003). Intake of fruit and vegetables: implications for bone health. Proceedings of the Nutrition Society, 62(4), 889-899.
Hallo liebe Denise, ein tolle den Menscnen zum Wohl dienende Blog-Seite hast du da. Vielen Dank dafür. :)
Ich habe mich gefragt, ob das wohl bei Magnesium auch so ist, dass durch die Ergänzungsmittel der Körper nicht weiß, wohin damit und es dann zu Einlagerungen oder anderen Nachteilen für den Körper kommt. Mein Vater ist 64 und hat öfter Krämpfe in den Beinen. Nun hat er begonnen entsprechende Magnesium-Präparate zu einnehmen.
LG
Eugen
Hallo Eugen, vielen Dank für das Lob! Das freut mich wirklich sehr! Magnesium scheint nicht ganz so kritisch zu sein. Bisher meint man, dass überschüssiges über die Niere ausgeschieden wird – allerdings muss man dazu eine intakte Niere haben. Zu viel Magnesium kann sich auch mal mit Durchfall bemerkbar machen. Aber bedenke immer: wenn man nicht genau weiß welches Mineral fehlt, könnte man mit Tabletten auch ein noch größeres Ungleichgewicht herbei führen, deshalb würde ich zur Sicherheit einfach mal mit einem Arzt Rücksprache halten, wenn ihr euch unsicher seid. Aber wenn es ihm hilft und die Krämpfe dadurch weggehen, ist… Weiterlesen »