Mit dem Thema Zeit beschäftigen sich unheimlich viele Sprüche und Weisheiten. Manche wollen uns darauf hinweisen wie kostbar jede Sekunde unseres Lebens ist, manche machen aufmerksam auf die kurze Zeit, die wir auf Erden haben und andere wiederum versuchen uns zu trösten. Besonders in der heutigen Zeit, wo alles so schnelllebig ist, bekommt der Faktor Zeit eine ganz andere Bedeutung.
„Die Zeit heilt alle Wunden“ wird gerne verwendet, wenn das Leben einen auf die Probe stellt.
Wer Abnehmen will, bekommt teilweise Zeitpläne vorgelegt. So gibt es Theorien, die besagen man solle Stundenweise (oder Tageweise) fasten, nach 18 Uhr nichts mehr essen oder das Frühstück ganz weglassen. Die Zeit ist allgegenwärtig – auch in unseren Lebensmitteln! Und genau hier möchte ich heute ansetzen: in allen Lebensmitteln steckt der Faktor Zeit – und obwohl er auf keiner Zutatenliste steht, ist das häufig die teuerste Zutat an dem ganzen Produkt!
Mahl + Zeit
Der Spruch „Zeit ist Geld“ ist sicherlich allen bekannt. Bei der Lebensmittelherstellung nimmt er eine unheimlich zentrale Rolle ein. Egal welches Produkt du in die Hand nimmst, für den Faktor Zeit zahlst du immer – auch wenn dieser Inhaltsstoff auf keiner Zutatenliste steht. Wenn in der Industrie von „Optimierung“ die Rede ist, wird meistens am Faktor Zeit gedreht (unter anderem natürlich). Eine zentrale Frage ist häufig: wo kann man Zeit noch einsparen?!
Es geht nicht nur um die Zeit bei der Herstellung, sondern häufig auch wie der Konsument in seinem Alltag Zeit einsparen kann. Das, so hofft der Hersteller, wird zum Kauf anregen.
Fleischliebhaber kennen die Geheimzutat
Die wichtigste Zutat beim Grillen ist Zeit, stimmst du mir da zu?!
Wahre Fleischliebhaber kennen diese Geheimzutat sicherlich und sind (häufig) bereit einen höheren Preis dafür zu bezahlen.
Bei der Zubereitung von Fleisch ist Geduld gefragt. Der Grill (oder die Pfanne) müssen erst richtig heiß sein bevor man überhaupt anfangen kann. Das Steak wird dann kurz scharf angebraten und dann – nein, nicht sofort auf den Teller. Erst muss es noch im Ofen auf den Punkt fertig gegart werden. Danach sollte es noch etwas ruhen, ca. 5 bis 10 Minuten, und dann endlich darf man es verzehren.
Psst…das Fleisch muss entspannen!
Der Faktor Zeit spielt allerdings nicht erst in der Küche eine wichtige Rolle, sondern kommt schon beim Aufwachsen der Fleischquelle zum tragen – dem Tier. Die Fleischqualität eines Tieres wird maßgeblich durch die Haltungsbedingungen, die Fütterung und der Aufzuchtzeit beeinflusst. Selbst beim Schlachter spielt Zeit eine Rolle, denn auch hier muss gutes Fleisch reifen.
Zeit ist allgegenwärtig.
Bäcker kennen sie auch
Wir Deutschen sind bekannt für unsere Brotvielfalt. Wir wissen: Brot ist nicht gleich Brot.
Leider wird die alte Bäckerskunst von der Industrie immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Der Preis ist ausschlaggebend. Aber wer Mal das Vergnügen hatte ein Brot zu probieren, was von einem traditionellen Bäcker nach allen Regeln der Kunst gebacken wurde, der wird den Unterschied schmecken.
Brot, dessen Teig lange Ruhephasen genießen durfte, duftet und schmeckt einfach toll! Was in diesen Ruhephasen alles passiert, ist unfassbar!
Brote, die längere Ruhephasen genießen dürfen sind auch bekömmlicher
Ein schöner Nebeneffekt: die Ruhephasen formen nicht nur den Geschmack des Brotes, sondern machen es auch bekömmlicher!
So fanden Wissenschaftler heraus, dass längere Ruhephasen weniger FODMAPS hervorbringen1.
FODMAPS (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole) gelten als Auslöser verschiedener Magen-Darm-Beschwerden, wovon besonders Reizdarmpatienten betroffen sind. Ein Forscherteam beobachtete, dass Brote aus alten Getreidesorten wie zum Beispiel Einkorn, Emmer und Dinkel besser vertragen werden. Bei ihren Untersuchungen stellten sie zu ihrem Erstaunen fest, dass es nicht die Getreidesorte sondern die Behandlung des Teiges ist, die den Unterschied macht.
Nach ca. einer Stunde war der FODMAPS-Gehalt in allen Getreidesorten am höchsten, danach wurden sie nach und nach abgebaut. Die Teigansätze mit dem Urgetreide Emmer und Dinkel hatten zwar weniger FODMAPS als der Teig mit „normalem“ Brotweizen, aber auch hier war der höchste Gehalt nach einer Stunde zu vermerken.
In der Industrie wird der Brotteig meist nach einer Stunde „Gehzeit“ abgebacken, da er danach nicht mehr an Volumen zunimmt. Wie diese Studien zeigen konnten, passiert danach jedoch noch einiges. Es ist zwar nicht mit bloßem Auge sichtbar, aber für unseren Magen-Darm-Trakt machen die Ruhephasen einen riesen Unterschied.
Ausschlaggebend ist nicht die Getreideart, sondern die Ruhephasen
Broteteige, denen eine längere Ruhezeit gegönnt wurde, wurde von Reizdarmpatienten deutlich besser vertragen – da war die Getreideart nicht ausschlaggebend1;2.
Ab sofort sollte also auch „Slow-Baking“ angepriesen werden ;)
Auch die Natur kennt sie
Nicht zuletzt kennt sich die Natur mit dem Faktor Zeit wahrscheinlich am besten aus. Die Lebensmittel, die bis zum Schluss an der Pflanze reifen durften schmecken einfach am besten und haben die tollsten Farben. Die Natur gibt jeden Tag noch ein kleines Tröpfchen Geheimzutat in die Frucht (oder in das Gemüse) bevor wir es von der Pflanze trennen. Das schmeckt man.
Zeit sorgt für Geschmack und Aromen
Der Naturforscher Charles Darwin soll mal gesagt haben3: „Die Zeit ist die wichtigste Zutat im Rezept des Lebens“.
Darwin meinte damit sicherlich die Rolle der Zeit bei Mutation, Selektion und Evolution, aber er hatte recht. Zeit beeinflusst alles. Die Zeit hat uns Menschen auf die Erde gebracht. Durch Mutation, Selektion und Evolution werden die Schwachen aussortiert und die Starken entwickeln sich weiter – aber ohne Zeit wäre auch das nicht möglich.
Fazit
Zeit ist ein unheimlich wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor. Sie ist in allen Lebenslagen wichtig.
Besonders beim Blick auf unsere Nahrungsmittel sollten wir manchmal noch etwas genauer hinschauen.
Zeit sorgt nicht nur für Geschmack, sie kann auch ungesunde Inhaltsstoffe verringern oder entfernen.Bei unserer Verdauung spielt sie ebenfalls eine wichtige Rolle. Wer keine Zeit zum Essen hat oder das Essen nur schlingt, wird früher oder später vom Körper deutliche Warnsignale bekommen.
Zeit ist Geld – das stimmt. Aber das sollte es uns wert sein!
Quellen
1Ziegler, J.U., Steiner, D., Longin C.F.H., Würschum, T., Schweiggert R.M., Carle, R. (2016): Wheat and the irritable bowel syndrome – FODMAP levels of modern and ancient species and their retention during bread making; in: “Journal of Functional Foods” 25 (2016), 257–266, doi: 10.1016/j.jff.2016.05.019.
2Laatikainen, R., Koskenpato, J., Hongisto, S. M., Loponen, J., Poussa, T., Hillilä, M., & Korpela, R. (2016). Randomised clinical trial: low‐FODMAP rye bread vs. regular rye bread to relieve the symptoms of irritable bowel syndrome. Alimentary pharmacology & therapeutics, 44(5), 460-470.
3https://www.aphorismen.de/zitat/121984